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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0432
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^20 Sechstes Buch. II. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.
Thema felbftändig angeeignet und es mit ganz neuen, packenden Einzelzügen
ausgeflattet hat, zeigt fich der Meiller. Der Leichnam des Heilandes ift bereits
ganz vom Kreuze losgelöft. Die Männer oben auf der Leiter haben ein weifses
Linnentuch, das der eine von ihnen mit den Zähnen feilhält, unter ihm herauf-
gezogen und laffen ihn mit diefer Unterlage hinabgleiten in die Arme der
untenftehenden Angehörigen. Die Lebendigkeit der Bewegungsmotive ift hier
ebenfo überrafchend, wie die Tiefe des geiftigen Ausdrucks und die erftaunliche
Energie der malerifchen Durchführung. Malerifch noch vollendeter aber find
die beiden Darftellungen der inneren Seiten der Flügel: links der Befuch der
Frauen, rechts die Darftellung im Tempel. Befonders der Befuch der Frauen
ift von einer gewaltige Breite und eindringliche Sorgfalt, reinfte Zeichnung
und coloriftifche Pracht verbindenden technifchen Meifterfchaft, die in diefer Art
nie und nirgends wieder erreicht worden ift.
BMer^des Ungefähr in cliefe Zeit laffen fich nun aber auch noch eine Reihe anderer
^ieTe^Zeit3 Wilder des Meifters verfetzen: Sein Selbftbildnifs ohne Hut in den Uffizien, die
berühmte, aus ihm felbft, feinem gelehrten Bruder Philipp und noch zwei
anderen Gelehrten beliebende Bildnifsgruppe des Palazzo Pitti zu Florenz, wahr-
fcheinlich auch die Bilder vom Schlage der vielumftrittenen Darftellung »Neptun
und Amphitrite« (Neptun und Libye) im Berliner Mufeum1) und der fog. Tigris-
Allegorie (Neptun und Kybele) in der Petersburger Eremitage.
BiJdervQn ]j)as japr ]ß[2 brachte zunächft der Kathedrale von Gent ihre Pracht-
in Gent, darftellung des dem Kriegerftande entfagenden hl. Bavo. In der geiftvollen
Anordnung über den Trepp enftufen erinnert das mächtige Hochbild noch an
Paolo Veronefe; und doch ift es ganz von Rubens’ eigenfter Eigenart erfüllt,
nicht minder in der vollen Lebenswahrheit der einzelnen Köpfe, als in dem
zauberhaften Zufammenklange der raufchenden Farbenfluth. Auch die »An-
im Louvre, Betung der Könige« im Louvre und die berühmte »Wolfsjagd« beim Lord
(Ashbm-wn); Ashburton in London pflegen in diefes Jahr verfetzt zu werden. Aus den
folgenden Jahren giebt es einige bezeichnete und datirte Bilder, zu denen
v°n wir befonders »die Ungläubigkeit des Thomas« im Mufeum zu Antwerpen
ii/cafM- ’ »Jupiter und Kallifto« in der Caffeler Galerie (1613), die »Flucht
von 1614 nach Aegypten« in derfelben Sammlung (1614) und die »Beweinung Chrifti«
in Caffel, 1 o \ •/
in Wien; in der kaiferlichen Galerie zu Wien (1614) zu zählen haben. Die Jahreszahl
i/de/cai t6i6 trägt ein männliches Bild der Galerie Liechtenftein in Wien. In diefem
L1fteinen" Ja^re übernahm Rubens auch die Ausführung des Altarwerkes mit der »An-
in Mechein. Be^Ling Ber Hirten« in der Johanneskirche zu Mecheln; vor allen Dingen aber
malte er um diefe Zeit für den Herzog Wolfgang Wilhelm von Neuburg das
rAWg^se berühmte grofse »Jüngfte Gericht«, welches 1806 mit den übrigen Bildern der
München11 Düffeldorfer Galerie nach München gebracht wurde und jetzt zu den gröfsten
Schätzen der dortigen Pinakothek gehört. Das Gemälde zeigt deutlich, wie
lebendig die Erinnerung an Michelangelos Riefenwerk in der Sixtinifchen Capelle
(Bd. II, S. 586) noch in Rubens’ Geilte nachklang, aber auch nicht minder deut-
lich , wie felbftändig er mit folchen Erinnerungen zu Ichalten verlland. Links
1) Vgl. Jul. Meyer im »Jahrbuch der preufsifchen Kunftfammlungen« II, 1881, S. 113 —130.
W. Bode in den Preufs. Jahrbüchern XLVII (April 1881). Dagegen A. Rofenberg in v. Lützo~o s
Zeitfchrift 1882, S. 165 —172.
 
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