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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0450
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Sechstes Buch. II. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.

fielt an. Wir fehen einen halbnackten Hirten, der einen Dudelfack auf dem
Rücken trägt, ein junges Weib umarmen, und erkennen, wie fo oft, in dem
Weibe Frau Rubens, geborene Helene Fourment, in dem Hirten aber den
Meifter felbft.

in Wien,

fchaften in
Florenz,

Rubens Endlich wäre ein Wort über die eigentlichen, eigenhändigen Landfchafts-
fchafter. gemälde des Meifters zu fagen. Im Allgemeinen find fie fchon oben charak-
terifirt worden. Man braucht fich in der That nur des kleinlichen Baumfchlages
und der ängftlichen Detaillirung feines Freundes Jan Brueghel, dem er gleich-
wohl manchmal, wie bei der »fchlafenden Diana« in München, dem »hl.Hubertus«
in Berlin und dem »Sündenfalle« im Haag, den Gefallen that, feine kleinen
Landfchaften mit Figuren auszuftatten, zu erinnern, um fich der bahnbrechenden
Bedeutung feiner grofsartig breit und frei behandelten, hauptfächlich auf die
Gefammtwirkung berechneten und faft immer der atmofphärifchen Stimmung
fein und verftändnifsvoll Rechnung tragenden Landfchaften bewufst zu werden.
Seine heroi- Von feinen Landfchaften heroifchen Stiles mit mvthologifcher Staffage ift die
fchönfte wohl das Gemälde des Palazzo Pitti zu Florenz, welches Odyffeus vor
Naufikaa an der Kühe der Phäaken zur Staffage hat; die Morgenfonne bricht
durch dunkle Sturmwolken und beleuchtet das noch immer braufende Meer, die
zackigen Berge der Küfte und die Gärten des Alkinoos. Noch dramatifcher
treten die Naturgewalten uns in dem grofsen Ueberfchwemmungsbilde der kaifer-
lichen Galerie zu Wien entgegen, defifen Staffage uns die Rettung von Philemon
und Baucis erzählt. »Unter zuckenden Blitzen und fchwefelgelbem Wetterfcheine«
entlädt fich der mächtige Wolkenbruch, und braufend, wogend, Wafferfälle bildend,
ergiefst die Fluth fich von Thal zu Thal. Als dritte fchliefst fich ihnen die
in der Hope- Landfchaft mit dem Schiffbruch des Aeneas aus der Sammlung Hope in
lenen bamm- ° x
Jung. London an.
fehenrL’a'nftd- Die meiften Landfchaften des Rubens flammen übrigens wohl aus feinem
fchaften letzten Lebensjahrzehnt, aus der Zeit feiner Zurückgezogenheit auf feinem Schlöffe
Steen; und dementfprechend ftellen fie die an fich fchlichte, aber frifche und
üppige Natur feiner belgifchen Heimat dar; aber fie zeigen auch diefe Natur
unter der Einwirkung mächtiger Wolken auf der einen, heller Sonnenflrahlen
auf der anderen Seite, manchmal von Regengüffen gepeitfeht, oft vom Bogen
des Friedens überwölbt. Das fchönfte aller diefer Bilder ift wohl die Land-
London fchaft mit dem Regenbogen bei Sir Richard Wallace in London; ihr fchliefsen
Wallace), Rubens Landfchaften in der Londoner National Gallery und in Windfor Caftle,
in London
(Nat^Gaii.), aber auch die Landfchaft mit dem Regenbogen in der Münchener Pinakothek
in München, fich an. Von intimerem Charakter ift die köftliche Abendlandfchaft des Meifters
inH^jfl°n beim Earl of Pembroke im Wiltonhoufe; und ihr fchliefst wieder die Abendr
m Sbu^terS" ^anbfchaft in der Eremitage zu Petersburg fich an, welcher ihre Staffage, ein
Karren, der umftürzen zu wollen fcheint, während die Pferde den Waldbach
durchfchreiten, den Namen «la charette embourbee» gegeben hat. Es ift eine
der wirkungsvollften Stimmungslandfchaften, die es giebt. Hinter dem Walde ift
die Sonne untergegangen. Abendroth färbt den Himmel und füllt die einfame
Natur mit röthlichem Glanze: zugleich aber geht der Mond auf; und fein ftilles,
gelbes Licht nimmt fiegreich den Kampf gegen die weichende Tageshelle auf.
Zum Verftändnifs der Raftlofigkeit und Vielfeitigkeit des Meifters darf
 
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