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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0486
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474 Sechstes Buch. II. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.
in Berlin, Berliner, »die heilige Therefe«, »die Verkündigung«, eine »heilige Unterhaltung«
in Wien, und »die Beweinung Chrifti« in der Wiener Galerie, befonders aber eine Anzahl
in Gent, von Gemälden des Genter Mufeums, in dem er überhaupt am reichlichften
vertreten ift. Hier fieht man u. a. feine berühmte, wenn auch etwas kalt-bunte
»Krönung der heiligen Rofalie«, hier fein lebendig angeordnetes »Martyrium
des heiligen Lorenz«, fein frifch, klar und hell hingeftrichenes Gemälde der
Madonna, welche dem heiligen Simon Stock das Skapulier reicht, und das
unvollendete Werk feines letzten Lebensjahres, das individuell componirte
Martyrium des heiligen Blafius, welches er, nach feiner eigenen infchriftlichen
Seine weit-Angabe, 86 Jahre alt im Jahre 1668 gemalt hat. — Von feinen weltlichen
Hiftorien Hiftorien kommen vor allen Dingen die Darftellungen für den Triumphbogen
in Gent, des Cardinal - Infanten in Betracht, welcher 1675 unter feiner Leitung in Gent
errichtet wurde. Die grofsen Gemälde befinden fich jetzt ebenfalls im Genter
Seine Bild-Mufeum. Von feiner Bedeutung als Bildnifsmaler kann man fich in ver-
niffe . •
in Paris fchiedenen Sammlungen, am beften im Louvre zu Paris vor feinem grofsen
Reiterbildnifs des Cardinal-Infanten Ferdinand, überzeugen.
jordaens. Nachhaltiger als Janffens und de Crayer hat Jakob Jordaens'} die belgifche
Kunft des 17. Jahrhunderts beeinflufst. Er ift neben Rubens und van Dyck
Entwicklung, der Hauptmeifter Antwerpens. Bis vor Kurzem pflegte man ihn unter den
Schülern oder Mitarbeitern des Rubens zu nennen. Allein weder feine Schüler-
fchaft bei Rubens noch ein anderes als ein freundfchaftliches Verhältnifs zu
feinem grofsen Landsmann läfst fich nachweifen, und fein Stil ift, von der Schul-
verwandtfehaft abgefehen, für ein fein gebildetes Auge durchaus verfchieden
Sein Leben, von demjenigen des Rubens. Jakob Jordaens war 1593 zu Antwerpen geboren;
1607 trat er als Lehrling bei Rubens’ Lehrer Ad van Noort (oben S. 76) ein;
1615 wurde er Freimeifter der Gilde; 1616 heirathete er die Tochter feines
Meifters, und noch fechzig Jahre nach diefer Zeit behielt er, hochgefeiert, feinen
Wohnfitz in feiner Vaterftadt, wo er erft 1678 ftarb; begraben aber wurde
er, da er fich erft heimlich, zuletzt, als die Regierung ein Auge zudrückte,
öffentlich zur reformirten Lehre bekannt hatte, jenfeit der holländifchen
Grenze in dem kleinen Dorfe Putte,
Sein Stil. Jordaens war eine ehrliche, kräftige, nordifche Natur. Er war nie in Italien
gewefen, und feine Werke zeigen gerade im Gegenfatze zu denen des Rubens,
was ein begabter Schüler Ad. van Noorts ohne den Einflufs des Südens, nur
auf fich felbft und fein vlämifch-natürliches Empfinden angewiefen, zu leiften
vermochte. Erklärlicher Weife trat eine derb realiftifche Auffaffung dabei zu
Tage. Jordaens’ Typen find rundlicher, breiter, weniger durchgeiftigt als die-
jenigen des Rubens, feine Leiber find noch fleifchiger und robufter, feine Com-
pofitionen, die er mit geringen Veränderungen oft für ein halbes Dutzend
Wiederholungen zu verwenden pflegte, find unfehöner und weniger durch-
gearbeitet. Seine Pinfeiführung, zugleich härter und verfchmolzener, alfo
metallifcher im Vortrag, als diejenige des Rubens, ift dabei in ihrer Art doch
faft ebenfo bedeutend und kaum minder verftändnifsvoll eindringend, nur nicht
von gleichem malerifchen Reize; und feine Farbengebung, einfacher und zugleich

1) P. Genard: Notice sur Jacques Jordaens. Messager des Sciences hiftoriques 1852, pag. 203 ff.
 
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