Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0522
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Sechstes Buch. II. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.

510
ift fchon gefagt worden; gar nicht feiten macht er auch abfichtlich Zerrbilder
aus ihnen; aber die Grundlage feiner Auffaffung bildet ftets eine grofse Gabe
gefunder und natürlicher Charakteriftik, verbunden mit einem kräftigen, aber
harmlofen Humor, der dem Häfslichen feine komifche Seite abzugewinnen
verlieht. Seine eigentlichen Lieblingsgegenftände find Rauffcenen in Trink-
ftuben. Die Raufereien find in der Regel beim Kartenfpiel oder beim Würfeln
entftanden; manchmal geht es aber auch ruhiger bei diefem Treiben zu, und
dann wird das Würfeln und Kartenfpielen oder das Kneipen und Rauchen
zur Haupthandlung der Darftellung; ferner bevorzugte er Scenen aus den Bader-
ftuben: ein fchlichter Wundarzt unterfucht die Fufswunde feines Kranken, er
verbindet einem folchen den Arm, er flicht ihm ein Gefchwür am Rücken,
oder ein Zahnarzt greift feinem fich vor Schmerzen krümmenden Kunden in
den Mund. Nennen wir fchliefslich noch Mufiker, Sänger, Geiger, Mandolinen-
fpieler, Flötenbläfer fchlichter Art, die ganz verfunken find in ihre Kunft, fo
haben wir das fittenbildliche Stoffgebiet des Meifters, in dem weibliche Wefen
fehr fparfam gefät find und nur eine untergeordnete Rolle fpielen, fchon ziemlich
vollftändig begrenzt. Brouwer war eben felbft ein witziger, luftiger Junggefelle,
der fich, abgefeheu von feiner Kunft, mit der er es fehr ernft nahm, im Kneipen-
leben am wohlften fühlte; und er hatte auch künftlerifch keinen anderen Ehr-
geiz, als die Geftalten und Vorgänge, die er täglich vor Augen fah, fo lebendig
und reizvoll wie möglich wiederzugeben.
Sein Leben. Geboren ift Adriaen Brouwer um 1606 in Flandern, wie es fcheint in
Oudenaerde. Seine Lehrzeit hat er wahrfcheinlich in Haarlem unter Frans
Hals, den wir erft fpäter kennen lernen werden, durchgemacht. Sicher ver-
folgen können wir ihn aber nur während der letzten fieben Jahre feines kurzen
Lebens; und während diefer lebte und malte er in Antwerpen. Im Winter
1631—32 wurde er hier als Meifter in die Lucasgilde aufgenommen; 1633 fafs
er, wahrfcheinlich aus politifchen Urfachen, gefangen in der Antwerpener Vefte;
1634 gab er fich zu dem berühmten Kupferftecher Paul Pontius (oben S. 440)
in Koft und Wohnung; wegen feiner Schulden kam er wiederholt mit den
Behörden in Berührung, zuletzt 1635; feit diefem Jahre wird er als Mitglied
der literarifchen Antwerpener Gefellfchaft »de Rederykerskamer« genannt, an
deren Feftmahlen wenigftens er fich betheiligte; Anfang 1638 fchon ftarb er,
wahrfcheinlich an der Peft; am I. Februar diefes Jahres erhielt er fang- und
klanglos ein ärmliches Begräbnifs auf dem Karmeliterkirchhofe; fpäter wurde
feine Leiche auf Betreiben feiner Freunde und unter ftarker Theilnahme der
Antwerpener Kunftwelt in der Karmeliterkirche beigefetzt.
Seme Bilder. Brouwer ift alfo nur 32 Jahre alt geworden, und feine felbftändige künft-
lerifche Thätigkeit umfafst höchftens ein Jahrzehnt. Für diefe kurze Zeit hat
er eine ziemlich beträchtliche Anzahl von Bildern hinterlaffen, doch wohl nicht
mehr als 50 im Ganzen, von denen fich 18 allein in der Münchener Pinakothek
Seme Stil- befinden. Bei aller ihrer Aehnlichkeit unter einander laffen fich doch, ihrer
Wandlungen.
Behandlungsweife nach, verfchiedene Gruppen in ihnen unterfcheiden, die auf
erhebliche Wandlungen des raftlos nach technifcher Meifterfchaft ringenden
Künftlers fchliefsen laffen. Da er feine Bilder nicht zu datiren pflegte, fo läfst
fich die Reihenfolge diefer Wandlungen jedoch nur aus inneren Gründen
 
Annotationen