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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0020
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548

Sechstes Buch. II. Abtheilung. Zweiter Abfchnitt.

Das
holländifche
Luftfpiel.
Brederoo
und Cofter.

Die
holländifche
Baukunft.
Jak. van
Kämpen.

Die
holländifche
Bildnerei.

Das
Schlacht-
haus von
Haarlem.
Holländifche in der Wohnhausbaukunft leifteten die Holländer noch das ganze 17. Jahrhun-
dert hindurch Tüchtiges und Selbftändiges. Wenn auch die ftrengen nordifchen
Renaiffance-Zierformen der Haufteineinfaffungen bald barockeren Einzelbildungen
Platz machten, die nicht immer harmonifch waren, fo blieb die fchmal und
hochaufftrebende Grundform des Giebelbaues und blieb die Kunftform des
Backfteinbaues mit Umrahmungen, Gliederungen und plaftifchen Zierrathen aus
Sandftein doch beftehen. Diefe Formen entfprangen mit Nothwendigkeit aus
den holländifchen Bodenverhältniffen, welche einerfeits wegen der Koftfpielig-
keit der Pfahlunterbauten, ohne welche der unterwäfferte Boden kein Steinhaus
getragen hätte, keine Ausdehnung in die Breite geftatteten, andererfeits wegen
der Ferne von Steinbrüchen die Bauherren auf die hauptfachliche Verwendung
des heimifchen Ziegelmaterials und auf die Befchränkung des Häufleins zur
1) y. A. Jonckbloet^ Gefchichte der niederländifchen Literatur, Deutfche Ausgabe, Leipzig 1872,
p. 199—200.
2) Näheres bei Georg Galland: Die Renaiffance in Holland. Berlin 1882, S. 66 ff.

trieb feines Volkes doch fo fern, dafs er nicht nur zur katholifchen Kirche
zurückkehrte, fondern auch feinen Sympathien für die ehemalige fpanifche Herr-
fchaft unverblümt Ausdruck lieh ’)! Dafür gelang der holländifchen Dichtkunft
damals manches ureigene, frifche und zugleich harmonifch durchgebildete Lied;
und dem holländifchen Luftfpiel, wie es durch Gerbr. Adr. Brederoo (1585 —1618)
und feinen Zeitgenoffen Dr. Sam. Coßer ausgebildet wurde, fehlt es ficher nicht
an urwüchfiger, national-holländifcher, oft derber Kraft und an überfprudelndem
Humor. Aber fo keck aus dem Leben gegriffene Gehalten und Vorgänge
diefe Dichter uns auch vorführen, ihren Werken fehlt die Selbftändigkeit und die
Abrundung. Sie find uns als treue Spiegelbilder des holländifchen Volkslebens
jener Tage wichtiger zur Erläuterung der gleichzeitigen Sittenmalerei, als dafs
fie uns, trotz ihrer köftlichen Einzelheiten, im Ganzen zu entzücken vermöchten.
Auch auf dem Gebiete der bildenden Künfte waren die Holländer
■ keineswegs in allen Beziehungen gleich begabt. Von einer felbftändigen hol-
ländifchen B i 1 d n e r e i höherer Art z. B. kann trotz der geiflvollen, aber ftets
halb architektonifchen Leiftungen des grofsen Architekten und Bildhauers
’^Keyfer Hendrik de Keyfer (1565—1621) kaum die Rede fein. Als die Amflerdamer
nach dem Abfchluffe des Friedens mit Spanien 1648 ihr flattliches, weit-
räumiges Rathhaus als thatfächliche Behaufung, aber auch als glänzendes Sinn-
bild der holländifchen Freiheit und Grofsmachtflellung zu bauen begannen,
mufsten fie Arth. Quellinus aus Antwerpen berufen, um es im Inneren mit
feinem reichen Bildhauerfchmucke auszuflatten. Das Gebäude felbfl rührte
allerdings von einem einheimifchen Baumeifter, von Jak. van Kämpen (geft.
1657) her5 und an tüchtigen und eigenartigen Baumeifter n fehlte es den
Holländern im 17. Jahrhundert überhaupt nicht. Nur ift gerade Jak. van Kampen’s
Rathhaus in feinem nüchternen Klafficismus wieder ein Beifpiel jener unhol-
ländifchen, conventionellen Richtung, die, wie gefagt, auf allen Gebieten der
holländifchen Cultur mit dem felbftändigen nationalen Zug im Streite lag. Will
man fich überzeugen, wie eigenartig Bedeutendes die holländifche Hoch-
renaiffancearchitektur um 1600 zu leiften verftand, fo betrachte man das
Schlachthaus zu Haarlem2) und die von ihm beeinflufsten Privatbauten. Gerade
 
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