Die holländifche Malerei des 17. Jahrhunderts. B. Die Haarlemer Schule. 629
ehemaligen Galerie Gfell zu Wien getragen haben. Allen diefen bezeichneten Andere
und datirten Bildern des Meifters reihen fich zahlreiche nicht datirte, zum Theil ^lutersT
auch nicht bezeichnete Bilder des Meifters in verfchiedenen anderen, hauptfäch-
lich jedoch den kleineren Sammlungen des europäifchen Feftlandes an (Fig. 569).
In England ift der Meifter dagegen ziemlich fchlecht vertreten.
Salomon van Ruysdael würde fich bei der Nachwelt unzweifelhaft einer
gröfseren Beliebtheit erfreut haben, wenn fein Ruhm nicht durch denjenigen
feines gewaltigen Neffen Jacob van Ruisdael verdunkelt worden wäre.
Jacob van Ruisdaelin dem die Nachwelt nicht nur den gröfsten Land- Jacob van
fchaftsmaler Hollands, fondern in manchen Beziehungen fogar den gröfsten Land- der grofse.
fchafter der Welt verehrt, gehörte zu feinen Lebzeiten gleichwohl nicht zu den
glücklichen, gefeierten, mit den Gütern diefer Erde überfchütteten Künftlern.
Seine Lebensgefchichte ift einfach und traurig. Um 1628 oder 16291 2) zu Haarlem Sein Leben,
geboren, hat er fich in feiner Vaterftadt wahrfcheinlich unter der Leitung feines
Oheims, wenn fein Vater Ifack wirklich Künftler war, natürlich zunächfl auch
in deffen Lehre, offenbar aber auch unter dem Einfluffe Allaert van Everdingens
entwickelt. Mit dem Jahre 1646 beginnen feine datirten Radirungen und Ge-
mälde; 1648 trat er in die Gilde feiner Vaterftadt; 1659 war er nach Amfter-
dam übergefiedelt, wo er in diefem Jahre das Bürgerrecht erwarb; 1668 über-
nahm er, gegen Bezahlung der Schulden deffelben, der Form nach die ganze
Habe feines Vaters3); 1681 mufs es ihm felbft fehr fchlecht gegangen fein;
denn feine Amfterdamer Glaubensbrüder, die Mennoniten, fchickten ihn in diefem
Jahr nach Haarlem zurück und mietheten ihn dort in ein Armenhaus (Almoze-
niershuis) ein. Wahrfcheinlich war er fchon krank. Am 14. März 1682 wurde
er in Haarlem begraben.
Jacob van Ruisdael hat wie kein zweiter die Natur in ihrem geheimnifs- Seine Kunft.
vollften Weben belaufcht, wie kein anderer fie mit feinem eigenften Empfinden
befeelt; die fcheinbar unbefeelte Natur zu einem tiefen Spiegel des menfchlichen
Gemüthslebens zu machen, war ein Endziel der Landfchaftsmalerei, welches fie
unter feinen Händen erreichte. Seine Motive find in der Regel einfach der Sein land-
0 . fchaftliches
heimifchen Natur entlehnt: zunächft der Umgegend Haarlems mit ihren Wäl- Stoffgebiet,
dern, Wiefen, Bleichen, Dünen und dem Meeresftrande, dann aber, da ihn die
Waldnatur befonders anzog, auch den Holland benachbarten deutfchen Wäldern
in der Gegend des Schloffes Bentheim; aber es ift nicht wahr, dafs er mir
felbft gefehene, felbft fkizzirte Motive verarbeitete. Die nordifchen Wafferfälle
feines Freundes Everdingen, der wieder nach Amflerdam überfiedelte, hatten
feine Einbildungskraft befruchtet, und aus ihr entftanden jene in grofser Anzahl
erhaltenen Bilder des Meifters, welche die deutfchen Eichenhügel, Felfen und
Flufsthäler mit breiten, wilden, fchäumenden, grauen Wafferfällen ausftatteten,
wie fie ihnen in Wirklichkeit fremd find. Seine landfchaftlichen »Compofitionen«
beruhen aber auf einem fo innigen Empfinden für den Organismus der land-
1) Im Gegenfatz zu feinem Oheim, der fich Ruysdael fchrieb, zeichnete er fich wenigftens in
feiner reifen Zeit ftets Ruisdael.
2) Neuefte Entdeckung; zuerft veröffentlicht von A. Bredius im Catalogus des Amfterdamer
Reichsmufeums 1887.
3) Van der Willigen a, a. O. p. 255—256.
ehemaligen Galerie Gfell zu Wien getragen haben. Allen diefen bezeichneten Andere
und datirten Bildern des Meifters reihen fich zahlreiche nicht datirte, zum Theil ^lutersT
auch nicht bezeichnete Bilder des Meifters in verfchiedenen anderen, hauptfäch-
lich jedoch den kleineren Sammlungen des europäifchen Feftlandes an (Fig. 569).
In England ift der Meifter dagegen ziemlich fchlecht vertreten.
Salomon van Ruysdael würde fich bei der Nachwelt unzweifelhaft einer
gröfseren Beliebtheit erfreut haben, wenn fein Ruhm nicht durch denjenigen
feines gewaltigen Neffen Jacob van Ruisdael verdunkelt worden wäre.
Jacob van Ruisdaelin dem die Nachwelt nicht nur den gröfsten Land- Jacob van
fchaftsmaler Hollands, fondern in manchen Beziehungen fogar den gröfsten Land- der grofse.
fchafter der Welt verehrt, gehörte zu feinen Lebzeiten gleichwohl nicht zu den
glücklichen, gefeierten, mit den Gütern diefer Erde überfchütteten Künftlern.
Seine Lebensgefchichte ift einfach und traurig. Um 1628 oder 16291 2) zu Haarlem Sein Leben,
geboren, hat er fich in feiner Vaterftadt wahrfcheinlich unter der Leitung feines
Oheims, wenn fein Vater Ifack wirklich Künftler war, natürlich zunächfl auch
in deffen Lehre, offenbar aber auch unter dem Einfluffe Allaert van Everdingens
entwickelt. Mit dem Jahre 1646 beginnen feine datirten Radirungen und Ge-
mälde; 1648 trat er in die Gilde feiner Vaterftadt; 1659 war er nach Amfter-
dam übergefiedelt, wo er in diefem Jahre das Bürgerrecht erwarb; 1668 über-
nahm er, gegen Bezahlung der Schulden deffelben, der Form nach die ganze
Habe feines Vaters3); 1681 mufs es ihm felbft fehr fchlecht gegangen fein;
denn feine Amfterdamer Glaubensbrüder, die Mennoniten, fchickten ihn in diefem
Jahr nach Haarlem zurück und mietheten ihn dort in ein Armenhaus (Almoze-
niershuis) ein. Wahrfcheinlich war er fchon krank. Am 14. März 1682 wurde
er in Haarlem begraben.
Jacob van Ruisdael hat wie kein zweiter die Natur in ihrem geheimnifs- Seine Kunft.
vollften Weben belaufcht, wie kein anderer fie mit feinem eigenften Empfinden
befeelt; die fcheinbar unbefeelte Natur zu einem tiefen Spiegel des menfchlichen
Gemüthslebens zu machen, war ein Endziel der Landfchaftsmalerei, welches fie
unter feinen Händen erreichte. Seine Motive find in der Regel einfach der Sein land-
0 . fchaftliches
heimifchen Natur entlehnt: zunächft der Umgegend Haarlems mit ihren Wäl- Stoffgebiet,
dern, Wiefen, Bleichen, Dünen und dem Meeresftrande, dann aber, da ihn die
Waldnatur befonders anzog, auch den Holland benachbarten deutfchen Wäldern
in der Gegend des Schloffes Bentheim; aber es ift nicht wahr, dafs er mir
felbft gefehene, felbft fkizzirte Motive verarbeitete. Die nordifchen Wafferfälle
feines Freundes Everdingen, der wieder nach Amflerdam überfiedelte, hatten
feine Einbildungskraft befruchtet, und aus ihr entftanden jene in grofser Anzahl
erhaltenen Bilder des Meifters, welche die deutfchen Eichenhügel, Felfen und
Flufsthäler mit breiten, wilden, fchäumenden, grauen Wafferfällen ausftatteten,
wie fie ihnen in Wirklichkeit fremd find. Seine landfchaftlichen »Compofitionen«
beruhen aber auf einem fo innigen Empfinden für den Organismus der land-
1) Im Gegenfatz zu feinem Oheim, der fich Ruysdael fchrieb, zeichnete er fich wenigftens in
feiner reifen Zeit ftets Ruisdael.
2) Neuefte Entdeckung; zuerft veröffentlicht von A. Bredius im Catalogus des Amfterdamer
Reichsmufeums 1887.
3) Van der Willigen a, a. O. p. 255—256.