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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Wind, Edgar: Zur Systematik der künstlerischen Probleme
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0479
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476 EDGAR WIND.



In das Schema kommt dadurch ein Denkfehler hinein: Entweder
sind »Gegenstand« und >GestaIt« vorkünstlerische Momente, — Kul-
tur- oder Naturfakta, die wir aus Kulturgeschichte bzw. Naturwissen-
schaft erfahren; dann haben sie in einem »System der künstlerischen
Qualitäten* nichts zu suchen. Oder aber sie sind am Kunstwerk
selbst anzutreffen; dann können sie nicht in einem Gegensatz zu »In-
halt« und »Form« stehen, und die Gegenüberstellung von »objektiver
Gebundenheit« und »subjektiver Freiheit« wird sinnlos.

Strzygowski verdeckt diese Unklarheit durch ein altes Schlag-
wort: Die beiden Grundaspekte, die sich in seinem System durch-
kreuzen, sollen durch die Worte Mensch « und »Welt zum Ausdruck
kommen. Ist damit gemeint, daß alles künstlerische Schaffen eine
Auseinandersetzung zwischen Mensch und Welt sei? Aber eben diese
Auseinandersetzung ist doch schon durch den Gegensatz von sub-
jektiver Freiheit und objektiver Gebundenheit« ausgedrückt, der —
innerhalb des »Systems« — ganz auf die Seite des »Menschen« fällt.
Wie nun einem Begriff »Mensch«, der diesen Gegensatz bereits in
sich schließt, noch ein gesonderter Begriff »Welt- gegenübergestellt
werden kann, bleibt unverständlich; unverständlich auch, wieso die
Worte »Material und Technik dazu kommen, die obere linke Ecke
des Systems zu füllen.

Doch diese Schwächen interessieren uns weniger als die Tat-
sache, daß aus der Verworrenheit des »Systems« das doppelte Motiv
sich herausschälen läßt: die Forderung nach einem Schema, welches
die am Kunstwerk aufzusuchenden Erscheinungen registriert, — und
die Forderung nach einer Antithetik, welche die künstlerische Leistung
als solche begreiflich macht. Daß diese beiden Postulate des kunst-
wissenschaftlichen Denkens im Fall Strzygowski zu höchst anfecht-
baren methodischen Grundsätzen führen, liegt an der Verunklärung
und Verzerrung, die sie hier erfahren. Die Verunklärung beruht auf
der Einmischung psychologischer Theorien, die Verzerrung darauf,
daß die Antithetik, statt innerhalb einer jeden Region, nur zwi-
schen den Regionen aufgesucht wird.

II.

In seinem Buch über die Entwicklungsphasen der neueren Bau-
kunst« kennzeichnet Frankl sein methodisches Vorgehen ausdrück-
lich durch zwei Momente: durch die »methodische Suche nach Polarität
und durch die Zerlegung eines jeden Bauwerks in die vier Elemente

der »Entwicklungsgeschichte« scharf scheidet, die Prinzipien der erstgenannten von
empirisch-genetischen Momenten nicht rein zu halten vermag.
 
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