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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Wind, Edgar: Zur Systematik der künstlerischen Probleme
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0478

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ZUR SYSTEMATIK DER KÜNSTLERISCHEN PROBLEME.

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Schema bieten, welches die für den künstlerischen Gegenstand wesent-
lichen Momente aufzählt und so den Kunstforscher vor der Gefahr
hütet, eine irgendwie wesentliche Seite des Objekts zu übersehen.
Betrachten wir nun aber die Tafel, die Strzygowski uns vorführt, so
finden wir, daß sie die Befugnisse eines bloßen Wegweisers, der ein-
fach auf die verschiedenen Erscheinungsklassen aufmerksam macht,
weit überschreitet. Sie will zugleich Richtlinien für die Deutung der
Erscheinungen geben:

1



Welt



Bedeutung

Erscheinung



Objektive Gebundenheit
Subjektive Freiheit

2. Gegenstand (Zweck)

3. Gestalt



5. Inhalt

4. Form

Es muß stutzig machen, daß in einem Schema, das heuristischen
Zwecken dienen soll, Begriffe wie »objektive Gebundenheit' und

-subjektive Freiheit« als leitende Gesichtspunkte verwendet werden.
Wenn ein Teil der Erscheinungen, auf die man zu achten hat, der

objektiven Gebundenheit, ein anderer Teil der »subjektiven Freiheit«
unterstellt wird, so besteht ja innerhalb des Schemas selbst eine Span-
nung. Und in der Tat sieht Strzygowski im »Gegenstand« und in
der »Gestalt« diejenigen Momente, die dem Künstler von außen her
gegeben sind, — in der Form', und im »Inhalt« dasjenige, was er,
aus dem eigenen Innern schöpfend, in sie hineinlegt: Der »Gegen-
stand« als solcher sei durch die Kultur bedingt, in die der Künstler
sich gestellt sehe; die »Gestalt finde er in der umgebenden Natur
vor, mag es sich nun um Formen des menschlichen Körpers oder um
vegetabile Elemente handeln; gegebenenfalls würden Gestaltmotive auch
von einer schon bestehenden Kunst (etwa der Antike) übernommen. All
diesen äußeren Gegebenheiten stehe aber der konzipierende Geist gegen-
über, der sich in »Form« und »Inhalt« äußere. — Damit wird deutlich,
daß das ganze System von einer vorgefaßten psychologischen Theorie des
Kunstschaffens durchzogen ist. Und das Motiv dieser Verquickung ist
leicht zu durchschauen: Man will die künstlerische Leistung als
solche herausstellen. Die Spannung, die hierzu vorausgesetzt werden
muß, führt Strzygowski durch Beziehung auf ein vorkünstlerisches
Faktum ein. Damit spielt er aber die »Auseinandersetzung« aus der im-
manent-künstlerischen Sphäre in die psychologisch-genetische hinüber1).

') Es muß wundernehmen, daß ein Forscher, der in seiner Disposition der
kunsthistorischen Aufgaben die »Wesensforschung« von der »Denkmalkunde, und
 
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