36 RICHARD HAMANN.
genießbar oder der Einbildung in den harten Stein würdig oder kon-
form wäre. Dies ist nicht so paradox, als es zunächst erscheint,
wenn man sich vorstellt, wie auch heute noch ein Bedürfnis nach
»Taille« besteht und ein Reiz darin gefunden wird, den Körper ein-
zuschnüren oder einem Gesicht durch Massieren präzisere Formen
beizubringen. Die Erfahrungen, die die tastende Hand dabei macht,
sind in unserer Statue einfach auf die künstlerische Gestaltung über-
tragen. In der Tat hat unsere Figur eine schmale und feste Taille,
wie sie sich kein Offizier besser wünschen kann. Dieses aus dem
Leben, der Mode heraus verständliche Formprinzip hat aber über der
ganzen Figur gewaltet.
Die Augenbrauen sind scharf, als ob der unter der Haut gefühlte
Knochen dargestellt wäre. Die weiche, nachgiebige Haut der Ober-
lider ist zwischen Stirnbein und Augapfel hineingepreßt, wölbt sich
nach innen, statt wie in der Natur nach außen. Die Augäpfel
scheinen infolgedessen hervorzuquellen. Der glotzende Blick
ist nicht das Gewollte, sondern ein zufälliger, durch die Formabsicht
bedingter Ausdruck Die Liderendigungen sind analog scharf ge-
schnitten gebildet. Die Nase mit schmalem, scharf randigem Rücken
setzt in bestimmtem Winkel gegen die Wangen ab, das kleine Grüb-
chen im Knorpel der Nasenspitze ist gefühlt und nachgebildet. Unter
dem Backenknochen ist nach dem Mund und Kinn zu die weiche
Wange zurückgestrichen, so daß die Backenknochen hervortreten. Das
Kinn ist knöchern mit der am unteren Knochenrand fühlbaren grüb-
chenhaften Einsenkung gebildet. Die Mundlinie ist scharf, wie bei
zusammengepreßtem Mund, und mit scharf geschnittenen Lippen-
rändern gezeichnet. Er scheint infolge der Einziehung der
Fleischpartien zu lächeln. Es liegt diesen archaischen Figuren
aber nichts ferner als die ihnen nachgesagte »ewige Freundlichkeit«.
Der Ernst präziser und fester Form hat hier ein Scheinlächeln entstehen
lassen.
Aus dem Torso hebt sich dann das Schlüsselbein heraus. Die
Hüftknochen werden deutlich sichtbar, und zwischen den Schenkeln
und dem Schambein ist die Haut wieder mit scharfer Markierung
hineingedrückt. Die Kniee sind in ihrer knöchernen Substanz bloß-
gelegt, die Schienbeine drücken sich durch mit scharfer Kante an der
Innenseite der Unterschenkel, wie sie auch nur gefühlt, kaum in
gleicher Schärfe gesehen werden können. Ein Wunderwerk und die
eminente Feinheit und Kunstfertigkeit des Künstlers dieser Plastik ver-
ratend sind die Zehen. Sobald man Erinnerungen mitbringt von Ge-
legenheiten, bei denen man sich einmal mit dem reichen und unter
der leicht verschiebbaren Haut sehr gut wahrnehmbaren Knochengefiige
genießbar oder der Einbildung in den harten Stein würdig oder kon-
form wäre. Dies ist nicht so paradox, als es zunächst erscheint,
wenn man sich vorstellt, wie auch heute noch ein Bedürfnis nach
»Taille« besteht und ein Reiz darin gefunden wird, den Körper ein-
zuschnüren oder einem Gesicht durch Massieren präzisere Formen
beizubringen. Die Erfahrungen, die die tastende Hand dabei macht,
sind in unserer Statue einfach auf die künstlerische Gestaltung über-
tragen. In der Tat hat unsere Figur eine schmale und feste Taille,
wie sie sich kein Offizier besser wünschen kann. Dieses aus dem
Leben, der Mode heraus verständliche Formprinzip hat aber über der
ganzen Figur gewaltet.
Die Augenbrauen sind scharf, als ob der unter der Haut gefühlte
Knochen dargestellt wäre. Die weiche, nachgiebige Haut der Ober-
lider ist zwischen Stirnbein und Augapfel hineingepreßt, wölbt sich
nach innen, statt wie in der Natur nach außen. Die Augäpfel
scheinen infolgedessen hervorzuquellen. Der glotzende Blick
ist nicht das Gewollte, sondern ein zufälliger, durch die Formabsicht
bedingter Ausdruck Die Liderendigungen sind analog scharf ge-
schnitten gebildet. Die Nase mit schmalem, scharf randigem Rücken
setzt in bestimmtem Winkel gegen die Wangen ab, das kleine Grüb-
chen im Knorpel der Nasenspitze ist gefühlt und nachgebildet. Unter
dem Backenknochen ist nach dem Mund und Kinn zu die weiche
Wange zurückgestrichen, so daß die Backenknochen hervortreten. Das
Kinn ist knöchern mit der am unteren Knochenrand fühlbaren grüb-
chenhaften Einsenkung gebildet. Die Mundlinie ist scharf, wie bei
zusammengepreßtem Mund, und mit scharf geschnittenen Lippen-
rändern gezeichnet. Er scheint infolge der Einziehung der
Fleischpartien zu lächeln. Es liegt diesen archaischen Figuren
aber nichts ferner als die ihnen nachgesagte »ewige Freundlichkeit«.
Der Ernst präziser und fester Form hat hier ein Scheinlächeln entstehen
lassen.
Aus dem Torso hebt sich dann das Schlüsselbein heraus. Die
Hüftknochen werden deutlich sichtbar, und zwischen den Schenkeln
und dem Schambein ist die Haut wieder mit scharfer Markierung
hineingedrückt. Die Kniee sind in ihrer knöchernen Substanz bloß-
gelegt, die Schienbeine drücken sich durch mit scharfer Kante an der
Innenseite der Unterschenkel, wie sie auch nur gefühlt, kaum in
gleicher Schärfe gesehen werden können. Ein Wunderwerk und die
eminente Feinheit und Kunstfertigkeit des Künstlers dieser Plastik ver-
ratend sind die Zehen. Sobald man Erinnerungen mitbringt von Ge-
legenheiten, bei denen man sich einmal mit dem reichen und unter
der leicht verschiebbaren Haut sehr gut wahrnehmbaren Knochengefiige