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RICHARD HAMANN.
relativer Reliefzone, sondern auch viel leere Kernfläche, die sie teils
selber zwischen den weit gespreizten Beinen läßt oder zum Eindruck
des Herüberpendelns neben sich reserviert. So werden die Figur und
ihr Bewegungsmotiv erst recht stark von der Kernfläche isoliert, die
Kongruenz zwischen Flächenform und Figurenform und die orna-
mentale Bedeutung des Reliefs als Flächenschmuck dadurch am
stärksten hintangesetzt.
Diese Isolierung der Figur in Bezug auf die Flächenform ermög-
licht zugleich die für das Nacherleben der Funktion größtmögliche
Klarheit. Denn weder bei einer barocken Freistatue noch bei barocken
Relieffiguren darf man das Barocke in Wirrwarr und Unklarheit suchen.
Soll sich die barocke Bewegung in ihrer Heftigkeit und Plötzlichkeit
ebenso plötzlich dem Betrachter packend mitteilen, bedarf es noch
größerer Klarheit als beim klassischen Relief. Die tumultuöse, über-
ladene und zerklüftete Darstellung des Gigantenkampfes am Pergamon-
altar ist trotz ihrer durchweg barocken Motive in Typen, Bewegungen,
Formen und Größe des Spielraumes dennoch, wenn wir so sagen
dürfen, über das klassische plastische Barockrelief bereits hinaus und
vermengt sich mit naturalistischen oder malerischen Darstellungen
verwirrender Formendetails. Das reinste barocke Relief von packend-
ster Schönheit haben wir im Fries des Mausoleums von Halikarnaß,
speziell in einer Gruppe, die dem Skopas zugeschrieben wird. Die
Ausfallbewegung und der Spielraum barock erhöhter Reliefzone sind
die durchgehenden Charakteristika dieses Reliefs. Die Schönheit dieser
barocken Reliefs besteht aber trotz aller Rücksicht auf die Fläche
darin, uns diese als ein starkes Erlebnis, eine Reliefsensation vor-
zuführen. Architektonisch ist das barocke Relief nicht mehr.
D) Unplastische Reliefarten.
Für eine wissenschaftliche Ästhetik kommt es darauf an, nicht mit
Forderungen an die Kunst heranzutreten, sondern Beziehungen, Wir-
kungseinheiten festzustellen und von anderen abzusondern, der Kunst-
geschichte und Kunstbetrachtung scharf umgrenzte Begriffe zu über-
geben, deren Synthese nicht nur ideale Konstruktion ist, sondern
zugleich historischen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten ent-
spricht. Um den Begriff des plastischen Reliefs und der plastischen
Reliefstile in dieser Weise scharf abzugrenzen und die abstrahierende
Isolierung der zu einheitlicher Wirkung zusammengehenden Faktoren
zu rechtfertigen, führen wir die übrigen Möglichkeiten auf, eine Wand
oder materielle Fläche mit Skulptur, also plastischer Arbeit, aber ohne
plastischen Inhalt, zu schmücken. Auf genaue Klarlegung ihrer Wir-
kungsmöglichkeiten, ihrer Vorzüge oder Schwierigkeiten gehen wir
RICHARD HAMANN.
relativer Reliefzone, sondern auch viel leere Kernfläche, die sie teils
selber zwischen den weit gespreizten Beinen läßt oder zum Eindruck
des Herüberpendelns neben sich reserviert. So werden die Figur und
ihr Bewegungsmotiv erst recht stark von der Kernfläche isoliert, die
Kongruenz zwischen Flächenform und Figurenform und die orna-
mentale Bedeutung des Reliefs als Flächenschmuck dadurch am
stärksten hintangesetzt.
Diese Isolierung der Figur in Bezug auf die Flächenform ermög-
licht zugleich die für das Nacherleben der Funktion größtmögliche
Klarheit. Denn weder bei einer barocken Freistatue noch bei barocken
Relieffiguren darf man das Barocke in Wirrwarr und Unklarheit suchen.
Soll sich die barocke Bewegung in ihrer Heftigkeit und Plötzlichkeit
ebenso plötzlich dem Betrachter packend mitteilen, bedarf es noch
größerer Klarheit als beim klassischen Relief. Die tumultuöse, über-
ladene und zerklüftete Darstellung des Gigantenkampfes am Pergamon-
altar ist trotz ihrer durchweg barocken Motive in Typen, Bewegungen,
Formen und Größe des Spielraumes dennoch, wenn wir so sagen
dürfen, über das klassische plastische Barockrelief bereits hinaus und
vermengt sich mit naturalistischen oder malerischen Darstellungen
verwirrender Formendetails. Das reinste barocke Relief von packend-
ster Schönheit haben wir im Fries des Mausoleums von Halikarnaß,
speziell in einer Gruppe, die dem Skopas zugeschrieben wird. Die
Ausfallbewegung und der Spielraum barock erhöhter Reliefzone sind
die durchgehenden Charakteristika dieses Reliefs. Die Schönheit dieser
barocken Reliefs besteht aber trotz aller Rücksicht auf die Fläche
darin, uns diese als ein starkes Erlebnis, eine Reliefsensation vor-
zuführen. Architektonisch ist das barocke Relief nicht mehr.
D) Unplastische Reliefarten.
Für eine wissenschaftliche Ästhetik kommt es darauf an, nicht mit
Forderungen an die Kunst heranzutreten, sondern Beziehungen, Wir-
kungseinheiten festzustellen und von anderen abzusondern, der Kunst-
geschichte und Kunstbetrachtung scharf umgrenzte Begriffe zu über-
geben, deren Synthese nicht nur ideale Konstruktion ist, sondern
zugleich historischen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten ent-
spricht. Um den Begriff des plastischen Reliefs und der plastischen
Reliefstile in dieser Weise scharf abzugrenzen und die abstrahierende
Isolierung der zu einheitlicher Wirkung zusammengehenden Faktoren
zu rechtfertigen, führen wir die übrigen Möglichkeiten auf, eine Wand
oder materielle Fläche mit Skulptur, also plastischer Arbeit, aber ohne
plastischen Inhalt, zu schmücken. Auf genaue Klarlegung ihrer Wir-
kungsmöglichkeiten, ihrer Vorzüge oder Schwierigkeiten gehen wir