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KAARLE S. LAURILA.
Schließlich das Wichtigste! Gesetzt, ein solcher objektiver Maßstab
ließe sich, und zwar nicht allein für die schönen Gegenstände, sondern
für alle ästhetisch wirkenden Erscheinungen ermitteln, und gesetzt
weiter, seine Anwendung wäre mit der Natur der ästhetischen Betrachtung
vereinbar — auch dann könnte man die ästhetischen Gefühle durch
die Gebundenheit an einen Maßstab von anderen Gefühlen nicht ab-
grenzen. Denn entweder wäre dieser Maßstab ein solcher, den alle
Erscheinungen erfüllten — dann wäre er kein Maßstab. Oder er wäre
ein solcher, den nicht alle Erscheinungen erfüllten — dann würde er
gewisse Erscheinungen ausschließen. Nun wurde aber in dem Voran-
gehenden schon festgestellt, daß alle Erscheinungen ästhetisch bewert-
bar sind, da alles, was da ist, auch künstlerisch behandelt werden
kann. Wären also die ästhetischen Gefühle an einen Maßstab ge-
bunden, den die Erscheinungen erfüllen müßten, um ästhetisch zu
wirken, so müßte dieser Maßstab jedenfalls ein solcher sein, den alle
Erscheinungen erfüllten. Dann wäre er aber auch kein Maßstab.
2.
Das Ergebnis der bisher angestellten Überlegungen ist negativ.
Die ästhetischen Gefühle lassen sich nicht durch greifbare Merkmale
von anderen Gefühlen unterscheiden und als eine besondere Gefühls-
gruppe unter und neben anderen Gefühlen abgrenzen, wenn man näm-
lich ihre Stellung in unserem Gefühlsleben in der üblichen Weise auf-
faßt. Denn die Gefühle unterscheiden sich voneinander entweder
durch ihre Eigenart als Gefühle oder durch ihre Ursachen, d. h, durch
den Erkenntnisinhalt, an den sie gebunden sind. Durch keinen von
diesen beiden Unterscheidungsgründen ließen sich aber die ästhetischen
Gefühle von anderen Gefühlen unterscheiden.
Was müßten wir nun daraus folgern? Etwa dies, daß es über-
haupt keine ästhetischen Gefühle gäbe? Das wäre voreilig, denn tat-
sächlich ist die Folgerung nur die, daß die allgemein herrschende
Auffassung von der Natur und der Stellung der ästhetischen Gefühle
in unserem Gefühlsleben irgendwie irrig sein muß. Um nun nicht
bei diesem bloß negativen Resultat stehen zu bleiben, wollen wir ver-
suchen, wenigstens in einigen Zügen anzudeuten, wie die Stellung der
ästhetischen Gefühle in unserem Gefühlsleben und ihre Natur richtiger
aufzufassen wäre. Dabei gehen wir aber nicht von den ästhetischen
Gefühlen selbst aus, deren Natur und Stellung klarzumachen ist, son-
dern von dem ästhetischen Verhalten a).
5 Die nun folgenden Ausführungen berühren vielfach Gesichtspunkte, die nach
anderer Richtung hin benutzt worden sind in meinem Aufsatz: »Ist der ästhetische
KAARLE S. LAURILA.
Schließlich das Wichtigste! Gesetzt, ein solcher objektiver Maßstab
ließe sich, und zwar nicht allein für die schönen Gegenstände, sondern
für alle ästhetisch wirkenden Erscheinungen ermitteln, und gesetzt
weiter, seine Anwendung wäre mit der Natur der ästhetischen Betrachtung
vereinbar — auch dann könnte man die ästhetischen Gefühle durch
die Gebundenheit an einen Maßstab von anderen Gefühlen nicht ab-
grenzen. Denn entweder wäre dieser Maßstab ein solcher, den alle
Erscheinungen erfüllten — dann wäre er kein Maßstab. Oder er wäre
ein solcher, den nicht alle Erscheinungen erfüllten — dann würde er
gewisse Erscheinungen ausschließen. Nun wurde aber in dem Voran-
gehenden schon festgestellt, daß alle Erscheinungen ästhetisch bewert-
bar sind, da alles, was da ist, auch künstlerisch behandelt werden
kann. Wären also die ästhetischen Gefühle an einen Maßstab ge-
bunden, den die Erscheinungen erfüllen müßten, um ästhetisch zu
wirken, so müßte dieser Maßstab jedenfalls ein solcher sein, den alle
Erscheinungen erfüllten. Dann wäre er aber auch kein Maßstab.
2.
Das Ergebnis der bisher angestellten Überlegungen ist negativ.
Die ästhetischen Gefühle lassen sich nicht durch greifbare Merkmale
von anderen Gefühlen unterscheiden und als eine besondere Gefühls-
gruppe unter und neben anderen Gefühlen abgrenzen, wenn man näm-
lich ihre Stellung in unserem Gefühlsleben in der üblichen Weise auf-
faßt. Denn die Gefühle unterscheiden sich voneinander entweder
durch ihre Eigenart als Gefühle oder durch ihre Ursachen, d. h, durch
den Erkenntnisinhalt, an den sie gebunden sind. Durch keinen von
diesen beiden Unterscheidungsgründen ließen sich aber die ästhetischen
Gefühle von anderen Gefühlen unterscheiden.
Was müßten wir nun daraus folgern? Etwa dies, daß es über-
haupt keine ästhetischen Gefühle gäbe? Das wäre voreilig, denn tat-
sächlich ist die Folgerung nur die, daß die allgemein herrschende
Auffassung von der Natur und der Stellung der ästhetischen Gefühle
in unserem Gefühlsleben irgendwie irrig sein muß. Um nun nicht
bei diesem bloß negativen Resultat stehen zu bleiben, wollen wir ver-
suchen, wenigstens in einigen Zügen anzudeuten, wie die Stellung der
ästhetischen Gefühle in unserem Gefühlsleben und ihre Natur richtiger
aufzufassen wäre. Dabei gehen wir aber nicht von den ästhetischen
Gefühlen selbst aus, deren Natur und Stellung klarzumachen ist, son-
dern von dem ästhetischen Verhalten a).
5 Die nun folgenden Ausführungen berühren vielfach Gesichtspunkte, die nach
anderer Richtung hin benutzt worden sind in meinem Aufsatz: »Ist der ästhetische