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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0497
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BESPRECHUNGEN. 4gi

gar nicht brauchte, auf die er jetzt angewiesen ist, weil die heutige Bühne ihm keine
andere Offenbarungsart seiner Kunst gibt. Der darstellende Schauspieler bekommt
die Kristallform aus der Rolle, unter Einwirkung des Regisseurs, und kristallisiert
hieran — der gestaltende hat die Kristallform selber und läßt die Rolle sich daran
ankristallisieren. Der Darstellende ist der Gegebene für die Bühnendarbietung eines
Dramas, — der Gestaltende nimmt das Drama nur zum Anlaß und vernichtet es
eventuell als Ganzkunstwerk, zugunsten seiner selbständigen künstlerischen Persön-
lichkeitsgestaltung. Er kann allerdings auch Rollen finden, wo er nicht zu ver-
nichten, nicht aus dem Drama herauszuwachsen braucht — aber das ist für ihn ge-
radezu Ausnahme. (Und wenn man, wie Bab tut, die Schauspielkunst auf den Tanz
zurückführen will, so hätte man da auch für diese beiden Pole etwas Entsprechen-
des; den mimischen und den ekstatischen Tanz.)

Es bliebe noch in manchen Punkten ein Einwand zu machen — so z. B. bei
der Erschließung des Kulturwerts der Bühne nur von der ästhetischen Seite her:
auch die Form der Darbietung, die soziale, ist wichtig; hier wird einer Kultur-
gemeinschaft zu gleicher Zeit dasselbe Erlebnis vermittelt und so die für jede Kultur
nötigen interindividuellen Erlebniskerne unter Betonung der Gemeinschaft geschaffen
— oder z. B. bei der Auffassung des Schauspielers als eines extremen Falls des
Menschen: wobei doch nicht zu vergessen ist, daß er ästhetisch erlebt, der Mensch
aber ethisch (allerdings gibt körperliche Anteilnahme dem ästhetischen Erlebnis
größere Realität) — aber all das ist nicht so wichtig, besonders deshalb nicht, weil
es ja doch nur Punkte sind in diesem Buch, das, obgleich vielfach mehr in breitem
Redestil als gedrängtem Schreibstil, doch eine erstaunliche Fülle birgt. Und was
vielleicht das Wichtigste ist: es bietet neben der energischen Durchgestaltung des
Stoffs und der Ausweitung seiner Probleme für jeden, der sich mit ästhetischen
Fragen beschäftigt, vielfältige Anregung.

Berlin. Constantin Hilpert.

Fritz Brüggemann, Die Ironie als entwicklungsgeschichtliches Mo-
ment. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der deutschen Romantik. Verlegt bei
Eugen Diederichs in Jena 1909. VIII und 478 S.
Das sehr in die Breite gegangene Buch von Brüggemann zielt, um dies vorweg
festzustellen, nicht auf die Klärung ästhetischer Probleme. Die Arbeit ist vielmehr
vom kulturpsychologischen Gesichtspunkt beherrscht. Zwar läßt die vom Titel ge-
weckte Gedankenverbindung zwischen Ironie und Romantik ästhetische Erörterungen
erwarten, aber der Begriff der Ironie wird vom Verfasser über die landläufige Auf-
fassung hinausgeführt und in allgemeinere Zusammenhänge gestellt. Es handelt
sich bei dieser Ironie um ein rein seelisches Phänomen, eine seelische Disposition.
»Sie stellt sich uns als eine subjektive Auffassung der Dinge dar, sei es nun der
Außenwelt oder der eigenen Innenwelt des Subjekts, in der die Wirklichkeit dieser
Außen- oder Innenwelt als unwirklich und deshalb ironisch erfaßt wird.« Von
eigenartigen Störungen im Ich, in der Persönlichkeit ist also die Rede. Der Ver-
fasser deutet gleich zu Anfang an, daß solche Störung zwangsweise, also patho-
logisch, oder freiwillig ist, demgemäß von einer passiven und einer positiven Ironie
gesprochen werden kann. Es wäre interessant gewesen, wenn sich Brüggemann
zu einer theoretischen Analyse seines Zentralbegriffs bereit gefunden hätte. Viel-
leicht darf man die Induktion auf Grund der vorliegenden Untersuchung noch von
ihm erwarten.

Diese Erscheinung der Ironie wird nun im Zusammenhang mit dem Werden
der Kulturzeitalter im Sinne Lamprechts betrachtet. Ja, man könnte die Ausfüh-
 
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