218 JOHANNES VOLKELT.
wichtiger Gegensätze. Er tritt in die allerengste und wesentlichste
Verbindung mit dem inneren, eigensten Leben der künstlerischen
Schaffenstätigkeit. Häufig ist man geneigt, nur dort Stil zu finden,
wo Oroßheit in der künstlerischen Auffassung, idealisierende Erhöhung
der dargestellten Gegenstände vorliegt. So verlangt Friedrich Vischer
vom Stil »ideale Großheit der Auffassung« 1). Und Goethe will »das
Wort Stil in den höchsten Ehren halten, damit uns ein Ausdruck
übrig bleibe, um den höchsten Grad zu bezeichnen, welchen die Kunst
je erreicht hat und erreichen kann« 2). Ich will nun keineswegs es
als verboten ansehen, dem Wort Stil eine Verengerung und Steigerung
zu geben, die noch weit über die erhöhte Bedeutung hinausgeht, die
in der vorhin (unter Nummer 1) angestellten Betrachtung dem Stil-
begriff durch das Hinzutreten des Merkmals der Selbständigkeit oder
Originalität verliehen wurde. Ja es mag sich geradezu empfehlen, das
Wort Stil ähnlich wie etwa das Wort »Charakter« auch in gewissem
Zusammenhange als einen Vorzugsnamen höchsten Ranges anzu-
wenden. Aber wichtiger ist es für die Ästhetik, daß wir in dem
Worte »Stil« einen Ausdruck besitzen, der passend erscheint, jene in
der Psychologie des künstlerischen Schaffens wurzelnden entgegen-
gesetzten Tendenzen zusammenfassend zu bezeichnen. Jene Gegen-
satzpaare gehören zusammen; und sie müßten im System der Ästhetik
insgesamt in unmittelbarem Anschluß an die Psychologie des künst-
lerischen Schaffens behandelt werden. Tatsächlich findet man sie, so-
weit sie überhaupt erörtert werden, immer auseinandergerissen und an
verschiedene Stellen der Ästhetik verteilt. Sie haben in der Ästhetik
keine rechte Heimat.
Hier mag nebenbei daran erinnert werden, daß zuweilen an dem
Stil besonders das Merkmal des zur Gewohnheit Gewordenen betont
wird. So erklärte Rumohr den Stil als ein zur Gewohnheit gediehenes
Sichfügen in die inneren Forderungen des Stoffes3). Und Friedrich
Vischer findet den Schwerpunkt des Stiles darin, daß er die idealbildende
Tätigkeit in die technische Gewöhnung übergegangen zeigt *). Zweifel-
los gehört zum Stil Sicherheit in der Bearbeitung des Materials, Be-
herrschung des Handwerklichen in der Kunst. Dies ist einfach darin
mit enthalten, daß der Stil Formgepräge in gutem, betontem Sinne
des Wortes ist. Und so mag auf die technische Gewöhnung denn
auch als auf ein in dem Begriff des Stiles Mitgesetztes nachdrücklich
hingewiesen werden. Nur darf die Hervorhebung dieses Merkmals
') Friedrich Vischer, Das Schöne und die Kunst S. 273; Ästhetik § 527.
2> Goethe, in dem vorhin erwähnten Aufsatz, Weimarer Ausgabe, Bd. 47, S. 83.
3) C. F. v. Rumohr, Italienische Forschungen (Berlin 1827), Bd. 1, S. 87.
') Friedrich Vischer, Ästhetik § 527. Das Schöne und die Kunst S. 273.
wichtiger Gegensätze. Er tritt in die allerengste und wesentlichste
Verbindung mit dem inneren, eigensten Leben der künstlerischen
Schaffenstätigkeit. Häufig ist man geneigt, nur dort Stil zu finden,
wo Oroßheit in der künstlerischen Auffassung, idealisierende Erhöhung
der dargestellten Gegenstände vorliegt. So verlangt Friedrich Vischer
vom Stil »ideale Großheit der Auffassung« 1). Und Goethe will »das
Wort Stil in den höchsten Ehren halten, damit uns ein Ausdruck
übrig bleibe, um den höchsten Grad zu bezeichnen, welchen die Kunst
je erreicht hat und erreichen kann« 2). Ich will nun keineswegs es
als verboten ansehen, dem Wort Stil eine Verengerung und Steigerung
zu geben, die noch weit über die erhöhte Bedeutung hinausgeht, die
in der vorhin (unter Nummer 1) angestellten Betrachtung dem Stil-
begriff durch das Hinzutreten des Merkmals der Selbständigkeit oder
Originalität verliehen wurde. Ja es mag sich geradezu empfehlen, das
Wort Stil ähnlich wie etwa das Wort »Charakter« auch in gewissem
Zusammenhange als einen Vorzugsnamen höchsten Ranges anzu-
wenden. Aber wichtiger ist es für die Ästhetik, daß wir in dem
Worte »Stil« einen Ausdruck besitzen, der passend erscheint, jene in
der Psychologie des künstlerischen Schaffens wurzelnden entgegen-
gesetzten Tendenzen zusammenfassend zu bezeichnen. Jene Gegen-
satzpaare gehören zusammen; und sie müßten im System der Ästhetik
insgesamt in unmittelbarem Anschluß an die Psychologie des künst-
lerischen Schaffens behandelt werden. Tatsächlich findet man sie, so-
weit sie überhaupt erörtert werden, immer auseinandergerissen und an
verschiedene Stellen der Ästhetik verteilt. Sie haben in der Ästhetik
keine rechte Heimat.
Hier mag nebenbei daran erinnert werden, daß zuweilen an dem
Stil besonders das Merkmal des zur Gewohnheit Gewordenen betont
wird. So erklärte Rumohr den Stil als ein zur Gewohnheit gediehenes
Sichfügen in die inneren Forderungen des Stoffes3). Und Friedrich
Vischer findet den Schwerpunkt des Stiles darin, daß er die idealbildende
Tätigkeit in die technische Gewöhnung übergegangen zeigt *). Zweifel-
los gehört zum Stil Sicherheit in der Bearbeitung des Materials, Be-
herrschung des Handwerklichen in der Kunst. Dies ist einfach darin
mit enthalten, daß der Stil Formgepräge in gutem, betontem Sinne
des Wortes ist. Und so mag auf die technische Gewöhnung denn
auch als auf ein in dem Begriff des Stiles Mitgesetztes nachdrücklich
hingewiesen werden. Nur darf die Hervorhebung dieses Merkmals
') Friedrich Vischer, Das Schöne und die Kunst S. 273; Ästhetik § 527.
2> Goethe, in dem vorhin erwähnten Aufsatz, Weimarer Ausgabe, Bd. 47, S. 83.
3) C. F. v. Rumohr, Italienische Forschungen (Berlin 1827), Bd. 1, S. 87.
') Friedrich Vischer, Ästhetik § 527. Das Schöne und die Kunst S. 273.