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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Major, Erich: Die Notwendigkeit einer Ästhetik vom Standpunkte der Produktivität
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0586
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XI.

Die Notwendigkeit einer Ästhetik vom Stand-
punkte der Produktivität.

Von

Erich Major.

Der Kampf zwischen der psychologischen und einer sich selb-
ständig fühlenden Ästhetik ist noch nicht ausgefochten. Wir finden
den Niederschlag dieses Streites in der vortrefflichen Übersicht, die
Emil Utitz über den gegenwärtigen Stand der Ästhetik in den »Jahr-
büchern der Philosophie« gegeben hat. Eines scheint jedoch beinahe zur
Gewißheit geworden zu sein: mit dem bloß psychologischen Prinzip
von Lust und Unlust kann die Ästhetik nicht mehr auskommen, und
diese primitiven Kategorien können für ihre Zwecke nicht mehr als
brauchbar anerkannt werden. Sehen wir beispielsweise die Anwen-
dung des reinen Lustprinzipes bei Witasek (Allgemeine Ästhetik), so
finden wir, daß er immerfort die ästhetischen Werte als lusterregend
bezeichnet und dennoch zugeben muß, die Tragödie sei in ihrer
Wirkung viel stärker als die Komödie, gerade weil das Schmerzliche
tiefere Wirkung und innigere Erschütterung der Seele gebe. Und dann
folgt noch der flagrante Widerspruch, daß das Komische (also das
eigentlich Lusterregende) unter die pseudoästhetischen Momente ge-
rechnet wird, obv/ohl jeder auch nur oberflächlich Kunstverständige
zugeben wird, daß die Komik mit dem Urteilen (wegen des angeblich
notwendigen Urteiles schließt Witasek sie vom eigentlich Ästhetischen
aus) nicht mehr und nicht weniger zu tun hat, als das Tragische; daß
ferner gerade im Komischen ein Elementares, beinahe dämonisch Sug-
gestives liegt, das oft genug jedes Urteilen unmöglich macht und den
Verstand gänzlich über den Haufen wirft. Ebensowenig kann uns die
Ansicht irgendwie überzeugen, daß das Lustmoment des Künstlerischen
aus der Betrachtung des Psychischen hervorgehe, wie Witasek meint.
Die Betrachtung des Psychischen an und für sich braucht durchaus
keine Lust zu erregen; im Gegenteil, durch das Element der Selbst-
beobachtung, das hier eingeschaltet wird, bekommt das Ästhetische
erst recht etwas Mittelbares, Verblaßtes und Lebloses. Die unvermeid-
 
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