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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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Lázár, Béla: Das Grundgesetz der monumentalen Skulptur
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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0008
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BELA LAZAR.

zur Einheit sich zusammenschließen, wo wir das Ganze zugleich mit
seinen Teilen sofort aufzunehmen vermögen.

Die Bedeutung von Arithmetik und Geometrie in der Komposition
— die Ägypter fühlten, die Griechen kannten sie. Sie weisen den
Weg zu den angenehmen Proportionen, zu den günstigen Linien-
harmonien. Der Künstler, der auf der Suche ist nach den »günstigen«,
den »angenehmen« Wirkungen, — der forschende Künstler hat stets
die im Einfachen, im Ökonomischen verborgenen elementaren Wir-
kungen erkannt.

Hildebrand *), der als Künstler von abstrakter Phantasie die Grund-
sätze der Monumentalskulptur nicht nur erfaßt, sondern auch in ein
System gebracht hat, ist also im Recht, wenn er sagt, daß die große,
die Monumentalwirkung erst entsteht, wenn es gelungen ist, diese
organisch einheitliche Bildfläche aufzubauen, und zwar in geome-
trischer Form von tunlichster Einfachheit. »Ist dies nicht der Fall, so
stellt sich die Figur immer weniger als klare Bilderscheinung dar, und
wir suchen jede Ansicht, weil sie nie abgeschlossen erscheint, durch
die folgende aufzuklären und werden dadurch um die Figur
herumgetrieben, ohne ihrer jemals, als einer eigentlich sichtbaren,
habhaft werden zu können.«

Daß so die monumentale Wirkung verloren geht, ist nur natürlich.
Ist doch die Vorbedingung einer solchen Wirkung die Herbeiführung
der Möglichkeit eines ruhigen Betrachtens, damit wir im ästhetischen
Sehen ganz aufgehen können, gegenüber der verwirrenden Wirkung
der Natur, die eben von der Kunst organisiert wird, indem sie eine
ungetrübte Gesichtsvorstellung schafft, »um dadurch dem Kubischen
das Quälende zu nehmen«.

Demgegenüber erblickt Rodin, der als Künstler von konkreter
Phantasie die Prinzipien der mit dem engen Räume rechnenden, leicht
zugänglichen und so auch in ihren Einzelheiten zu beobachtenden
Bildhauerkunst nicht nur erkannt, sondern auch vielfach scharf um-
schrieben hat, die wichtigste Aufgabe dieser Kunst eben darin, daß
sie die Vorstellung des Körperhaften hervorruft, die anregenden Wir-
kungen des Kubischen, der plastischen Kraft der Formen, der Tiefe
bietet. Das gibt den Formen die Kraft und Breite, im Gegensatz zur
glatten, kalten Formlosigkeit des Akademismus. Deshalb spielt in der
Kunst Rodins der Reichtum an Profilen, den man so schwer begriffen
hat, wiewohl er bloß ein Mittel zur Tiefenwirkung ist, eine so große
Rolle. Ich suche die aktive Linie der Fläche, um das Vertiefen, das
Wölben mit den sie verknüpfenden und gliedernden Durchschnei-

') Hildebrand, Das Problem der Form in der Bildkiuist S. 71.
 
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