Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

DOI Artikel:
Schwantke, Christoph: Vom Tragischen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0032
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VOM TRAGISCHEN. 25

niert werden: sie ist dann vorhanden, wenn wir Möglichkeit in
ihm fühlen, wenn wir in ihm unsere Möglichkeit erleben können. So
kann man sagen: eine tragische Erschütterung erleben wir
dann, wenn uns das Abreißen einer Reihe gezeigt wird,
einer Reihe, die wir als auch in unserer Möglichkeit
liegend fühlen, so daß ihr Zerrissenwerden uns als
eigenes Schicksal schreckt.

Man hat früher nach der Art, wie das tragische Schicksal herein-
bricht, die Tragödien in Schicksalstragödien und Charaktertragödien
eingeteilt, je nachdem die Katastrophe durch ein äußeres Geschehen
kommt oder durch ein solches, das seine Wurzel im Innern des
Helden selbst hat. Ich möchte hier eine andere Einteilung vorschlagen.
Freilich werden wir tragisch erschüttert, wenn wir sehen, wie ein
edler Mensch durch ein blind von außen Kommendes aus der Bahn
geschleudert wird — wir brauchen in dieser Kriegszeit nicht nach
fernen Beispielen zu suchen! Es gibt auch ein tragisches Schicksal
aus dem Charakter heraus, und es möge das beliebte Beispiel Eg-
mont auch uns daran erinnern; doch ich meine, daß man mit
Vorteil aus dem Tragischen von innen heraus eine Gruppe für sich
zusammenfassen kann. Ich will zu zeigen suchen, daß jede der
tiefsten Möglichkeiten des schaffenden Bewußtseins ihre typische
Tragik in sich selber trägt, und daß es daher ein Tragisches aus
der Möglichkeit geben muß, was uns mit besonders erschüttern-
der Kraft ergreift.

Von diesem Dritten zu sprechen, ist die eigentliche Absicht dieser
Arbeit, ihm wenden wir uns daher jetzt zu.

Um die den Möglichkeiten des Schaffens einwohnenden tragischen
Gefahren kennen zu lernen, müssen wir versuchen, uns dieser Mög-
lichkeiten selbst in Vollständigkeit zu versichern; wir tun das in Er-
innerung an die Einteilung des Aktivseins in Trieb, Wille und Ver-
nunftwille, die Natorp in seiner Sozialpädagogik gibt. Wir machen
uns ferner klar, daß das Aktivsein einen notwendigen Weg haben
muß, der sich dann auch als für jede der drei Stufen verschieden er-
weisen wird, und wir denken endlich an unser früheres Ergebnis, daß
alles Aktivsein ein Neuerzeugen der Aktivseinsmöglichkeit zum letzten
Zweck hat, so daß wir für jede der drei Stufen einen charakteristischen
Gesichtspunkt richtiger Anwendung aufzeigen können. So
gewinnen wir das Schema:

Möglichkeit Weg ^^c^üSg' *"

Seele Liebe Das höhere Triebhafte

Kraft Arbeit Ziel

Zielschöpferkrafl Führung Idee
 
Annotationen