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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0090
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BESPRECHUNGEN. 83

etwas gemeinsam? — Kirnst überhaupt ist >eine sinnlich anschauliche Darstellung
eines gefühlsbetonten Erlebnisses ... mit einer dem Gefühlswerte entsprechenden
Steigerung des Ausdrucks in einem bleibenden Werk«. Die Hauptsache ist die
Darstellung. Der Gesichtspunkt der Einteilung wird also der Art und den Mitteln
der Darstellung entlehnt. Das Produkt der Kunst ist ein reales Objekt, das ein
gesteigertes Äquivalent der Wirklichkeit sein soll (Äquivalentdarstellung) und immer
eine anschauliche Wirklichkeit repräsentiert. Unter dem Gesichtspunkt der Dar-
stellungsmittel ergeben sich vier Hauptkünste: 1. die bildenden, 2. die redenden,
3. die musikalischen, 4. die Bewegungskünste.

Als drittes Grundproblem bezeichnet Meumann die Frage nach den Abarten des
Ästhetischen oder des Schönen. Bilden sie ein System oder eine bloße Mannig-
faltigkeit? Kann eine Ableitung der Arten des Schönen gewonnen werden durch
abstrakte Spekulation, oder auf psychologischem Wege, oder durch rein objektive
Untersuchimg über die äußeren Verhältnisse, die wir schön finden? — Die speku-
lative Ästhetik erblickte in den Arten des Schönen ein System abstrakter Begriffe,
die aus dem Oberbegriff des Schönen sich logisch ableiten ließen. Die psycho-
logische Ästhetik sieht in ihnen Modifikationen des ästhetischen Eindrucks. Da-
gegen erblickt Meumann in ihnen Unterschiede des ästhetischen Lebensgebietes
überhaupt, d. h. sie bezeichnen sowohl typische Unterschiede in den ästhetischen
Objekten, wie im ästhetischen Eindruck, wie im künstlerischen Schaffen. Mehr
durch die objektiven Verhältnisse bedingt sind das Schöne und das Erhabene und
ihr Gegensatz, das Häßliche und das Kleinliche (Niedliche); mehr durch die Ver-
schiedenartigkeit der psychischen Prozesse bedingt sind das Tragische und das
Komische und ihre Abarten.

Der Begriff des Schönen darf nicht für das ästhetisch Wirksame überhaupt,
sondern nur für eine besondere Art desselben verwendet werden. Das eigentlich
Schöne entsteht dadurch, daß uns die Dinge rein durch ihre qualitativen Verhält-
nisse gefallen. Das Erhabene entsteht, wenn die quantitativen oder intensiven
Eigenschaften der Dinge wohlgefällig werden. Gegen Kant ist zu bemerken,
daß wir uns beim Eindruck des Erhabenen über das große Objekt selbst, nicht
über unsere Überlegenheit freuen. Diese ist ein außerästhetisches Moment. Das
Tragische entsteht dadurch, daß zum Objekt der Darstellung etwas Unluslvolles
gewählt wird (objektives Moment). Dadurch, daß der Künstler es nicht z. B. als
bloßes Leiden, sondern als ein Überwinden des Schicksals darstellt, wird ein un-
lustvolles Thema ästhetisch lustvoll (subjektives Moment). Das tragische Gefallen
erhebt sich auf der Basis der überwundenen Unlust. Das objektive Moment beim
Komischen ist, daß ein Eindruck oder eine Handlung zunächst die gewöhnliche,
fest assoziierte Auffassung in uns erweckt. Dann aber verbindet sich damit eine
zweite Bedeutung, die der ersten widerspricht und überraschend wirkt. Das Wich-
tigste dabei ist aber die Andeutung, daß die Aufhebung der ersten Auffassung
durch die zweite nicht ernst zu nehmen sei. Der Auffassende pendelt zwischen
den beiden Bedeutungen gleichsam hin und her, wodurch der Charakter des
Spielenden entsteht.

2. Die Aufgabe der Ästhetik und ihr Verhältnis zur Kunst. — Die Ästhetik soll
das Lebensgebiet der Kunst unserem Verständnis näherbringen; sie soll weder
Vorschriften für den Künstler aufstellen, noch ein zeitlos gültiges Ideal entwickeln,
noch den Geschmack regulieren. Ihre Methode ist die empirische. Zu dem ästheti-
schen Lebensgebiet gehören vier große Erscheinungen: die Tätigkeit des Kunst-
schaffens, das Kunstwerk, das Genießen des Kunstwerks und die ästhetische Kultur.
Von Künstlern und Laien werden der Ästhetik zahlreiche Vorurteile entgegenge-
 
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