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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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Klausen, Sverre: Das Problem der Schönheit und die Methoden der Ästhetik: Eine Studie auf Kantischer Grundlage
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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0249
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242 SVERRE KLAUSEN.

Das Schöne kann als eine objektive Beschaffenheit des Gegen-
standes nie erkannt, nur empfunden werden. Wäre ich ohne Gefühl,
würde ich nichts davon wissen, was Schönheit ist. So scheint die
Schönheit ausschließlich auf die subjektive Sphäre des Auffassenden
zu verweisen sein. Trotzdem spricht man, als wäre die Schönheit
eine Eigenschaft der Dinge. Diese Landschaft ist schön, nicht für
dich oder mich, sondern sie ist an und für sich schön. Vielleicht
liegt aber hier nur eine Ungenauigkeit des sprachlichen Ausdrucks
vor. Man kann sich ja auch so ausdrücken da, wo es sich um eine
zweifellos nur subjektive »Eigenschaft eines Dinges« handelt. In
dieser Weise sagt man: Der Braten ist gut, statt: schmeckt mir gut.
Es besteht doch ein Unterschied zwischen beiden Prädikationen. Kein
verständiger Mensch würde auch nur den Versuch machen, seinen
Tischgenossen, der das Gericht abscheulich fände, zu überzeugen, daß
er sich im Irrtum befände. Darauf lassen sich verständige Leute nicht
ein, weil es hier an einem objektiven Stützpunkt fehlt. Der Wohl-
geschmack ist nicht etwas, das wahrgenommen oder in anderer Weise
als eine objektive Beschaffenheit des Gegenstandes erkennbar wäre.
Ganz anders verhält man sich dem Schönen gegenüber. Daß man
hier zu überzeugen versucht, ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung,
ohne daß es im allgemeinen jemand einfallen wird, dies lächerlich zu
finden. Ja dies Überzeugenwollen wohnt, sobald von Schönheit die
Rede ist, der ganzen ästhetischen Kritik inne. Allerdings kann der
Kunstkritiker niemals eigentliche Beweise für die Schönheit eines Kunst-
werkes führen. Gleichwohl geschieht es nicht selten, daß sich jemand
von ihm überzeugen läßt, und in der Folge ein Kunstwerk wirklich
genießt, dessen Schönheit ihm bis dahin verborgen blieb. Es scheint
also trotz alledem, daß die Schönheit eine Art von Objektivität be-
sitzt, insofern als sie nicht ausschließlich einem individuell verschieden-
artigen Geschmack überlassen bleibt.

Zwar gibt es Ästhetiker, die dies verneinen. Schönheit ist etwas
völlig Subjektives. Schön ist alles, was irgend jemand gefällt oder
gefallen hat. Schön ist also die IX. Symphonie von Beethoven, aber
freilich auch das abscheulichste Trommeln, das ein Kinderohr zu er-
freuen vermag. Wie die Sophisten die Objektivität der Wahrheit
leugneten, indem sie alles wahr nannten, was von irgend jemand dafür
gehalten würde, ebenso verhalten sich einige Ästhetiker in bezug auf
die Schönheit.

Diesen Skeptikern der Ästhetik tritt nun der Metaphysiker gegen-
über, indem er behauptet, die Objektivität und Realität der Schönheit
nachweisen zu können. Mag sein, daß die Schönheit nicht als eine
objektive Beschaffenheit der Dinge nachweisbar ist. Ihr bleibt jedoch
 
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