VOM SCHAFFEN DES KÜNSTLERS. 393
erschließt. Was gehört demnach zum »Gestalten auf das Gefühls-
erleben«? Wir fanden es im Klatsch und im künstlerischen Schaffen
als eine bestimmte Erlebensform, in deren Struktur ein Erleben ab-
strömt. Aber der Unterschied erschloß sich uns in der Stellung zum
Gegenstand. Für keinen Mann der Tat sind Klatsch oder künstlerisches
Schaffen die angemessene Erlebensform; sein Erleben wirkt sich in
der Tat aus. Er reagiert in Taten und befreit sich in Taten. Seinen
Tatendrang hemmen, heißt ihn innerlich vernichten. Der Klatschende
und der Künstler reagieren in ihrer Weise und finden nur in ihr die
Befreiung. Ihr aufnehmendes Erleben nimmt schon diese Richtung
und wird dadurch unfähig für die Ableitung in die Tat; dafür strömt
es in die Bahnen, auf die es schon an sich eingestellt ist. Aber bei
aller Wesensverwandtschaft der Grundformel, erwies sie sich doch
auch als wesensverschieden. Würde der Klatschende von dem Erleben
oder Geschehen — das ihn erfüllt und bedrängt — sich innerlich los-
lösen, würde er nicht klatschen; aber er löst sich äußerlich los, indem
er es an andere fortwirft, so wie es sich ihm bewußt oder unbewußt
umgestaltet darstellt. Und nun soll es den anderen quälen, aufregen,
beunruhigen, womöglich noch viel mehr als ihn selbst. Und es ist
mit einer Entleerung häufig nicht abgetan, sondern er braucht nach-
einander viele Personen, die er mit seinem Klatsch behelligt, bevor er
wieder ins Gleichgewicht kommt. Aber da er kein Mensch der Tat
ist, wird er sich bald »leer« fühlen, und er braucht neuen Klatsch,
um in seiner Weise »leben« zu können. Der Künstler aber befreit
sich nicht äußerlich, sondern innerlich; und dazu muß er objektivieren,
gegenüberstellen. Die Gestaltung des Werkes ist die Loslösung, aber
um dies zu können, darf er nicht im stummen, dumpfen Erleben drinnen
bleiben und dieses einfach weiterschieben, beschwert- durch Zorn, Haß,
Neid, Sensationsgier. All diese Faktoren können im künstlerischen
Schaffen mitwirken, aber auch nur objektiviert, befreit vom individuell-
tatsächlichen Ansatzpunkt. Wenn ich nur meinem Zorn über eine
Geliebte Ausdruck gebe, indem ich sie beklatsche natürlich in einer
ihre schlechten Eigenschaften sehr steigernden Art, so steht das »Liebes-
erlebnis« nicht mir gegenüber, sondern ich drinnen. Ja ich zersetze
es durch meine Subjektivität. Auch der Künstler kann zürnen, aber
er stellt den Zorn dar, wenn er Künstler ist. Und wenn er die Ge-
liebte darstellt, so muß er ihr irgendwie »künstlerisch gerecht« werden,
d. h. ungeachtet aller schlechten Eigenschaften doch irgendwie die
Einheit der Person wahren, und damit zugleich ihre Notwendigkeit.
Wird er verraten, klatscht er nicht über den Verrat, sondern stellt ihn
dar. Nur auf diesen Punkt dringe ich hier, weil alles Folgende sich
dann daraus entwickelt: den Künstler macht nicht allein die Erlebens-
erschließt. Was gehört demnach zum »Gestalten auf das Gefühls-
erleben«? Wir fanden es im Klatsch und im künstlerischen Schaffen
als eine bestimmte Erlebensform, in deren Struktur ein Erleben ab-
strömt. Aber der Unterschied erschloß sich uns in der Stellung zum
Gegenstand. Für keinen Mann der Tat sind Klatsch oder künstlerisches
Schaffen die angemessene Erlebensform; sein Erleben wirkt sich in
der Tat aus. Er reagiert in Taten und befreit sich in Taten. Seinen
Tatendrang hemmen, heißt ihn innerlich vernichten. Der Klatschende
und der Künstler reagieren in ihrer Weise und finden nur in ihr die
Befreiung. Ihr aufnehmendes Erleben nimmt schon diese Richtung
und wird dadurch unfähig für die Ableitung in die Tat; dafür strömt
es in die Bahnen, auf die es schon an sich eingestellt ist. Aber bei
aller Wesensverwandtschaft der Grundformel, erwies sie sich doch
auch als wesensverschieden. Würde der Klatschende von dem Erleben
oder Geschehen — das ihn erfüllt und bedrängt — sich innerlich los-
lösen, würde er nicht klatschen; aber er löst sich äußerlich los, indem
er es an andere fortwirft, so wie es sich ihm bewußt oder unbewußt
umgestaltet darstellt. Und nun soll es den anderen quälen, aufregen,
beunruhigen, womöglich noch viel mehr als ihn selbst. Und es ist
mit einer Entleerung häufig nicht abgetan, sondern er braucht nach-
einander viele Personen, die er mit seinem Klatsch behelligt, bevor er
wieder ins Gleichgewicht kommt. Aber da er kein Mensch der Tat
ist, wird er sich bald »leer« fühlen, und er braucht neuen Klatsch,
um in seiner Weise »leben« zu können. Der Künstler aber befreit
sich nicht äußerlich, sondern innerlich; und dazu muß er objektivieren,
gegenüberstellen. Die Gestaltung des Werkes ist die Loslösung, aber
um dies zu können, darf er nicht im stummen, dumpfen Erleben drinnen
bleiben und dieses einfach weiterschieben, beschwert- durch Zorn, Haß,
Neid, Sensationsgier. All diese Faktoren können im künstlerischen
Schaffen mitwirken, aber auch nur objektiviert, befreit vom individuell-
tatsächlichen Ansatzpunkt. Wenn ich nur meinem Zorn über eine
Geliebte Ausdruck gebe, indem ich sie beklatsche natürlich in einer
ihre schlechten Eigenschaften sehr steigernden Art, so steht das »Liebes-
erlebnis« nicht mir gegenüber, sondern ich drinnen. Ja ich zersetze
es durch meine Subjektivität. Auch der Künstler kann zürnen, aber
er stellt den Zorn dar, wenn er Künstler ist. Und wenn er die Ge-
liebte darstellt, so muß er ihr irgendwie »künstlerisch gerecht« werden,
d. h. ungeachtet aller schlechten Eigenschaften doch irgendwie die
Einheit der Person wahren, und damit zugleich ihre Notwendigkeit.
Wird er verraten, klatscht er nicht über den Verrat, sondern stellt ihn
dar. Nur auf diesen Punkt dringe ich hier, weil alles Folgende sich
dann daraus entwickelt: den Künstler macht nicht allein die Erlebens-