VOM SCHAFFEN DES KÜNSTLERS. 3g5
man gar nicht sich wünschen, als den Dichter, der sogar in den »Armen
der Geliebten« dichtet, also selbst in dieser Lage nicht einfach im
Erleben aufgeht, sondern dieses gestaltet; und dazu muß er ihm irgend-
wie gegenüberstehen. Denn er klatscht ja nicht, er dichtet. Und
wenn man die Maler erwähnt — wie Rembrandt oder Rubens — die
sich schwelgend in der Lust des Lebens abbilden, froh die Geliebte
auf dem Schöße, so liegt immer der Irrtum vor, als ob es sich dabei
um eine Momentphotographie handelt, die unbemerkt ein Stück ehe-
lichen oder außerehelichen Glückes erhascht. Aber hier ist der Maler
doch selbst der »Photograph«, und das Bild ist nicht Besieglung
eirter zwanglosen, momentanen Lage. Sondern der Maler hat eben
»gemalt«, d. h. mit seinen fiebernden Sinnen versucht, sein »Glück«
darzustellen. Es ist nicht das einfache, schlichte Glück, in dem der
Tatmensch aufgeht; sondern dieses Subjektive wird objektiviert. Da
saß vielleicht die Frau, mit blitzendem Schmuck und prächtigen Klei-
dern angetan, und saß stundenlang und ward müde und durfte ihre
Stellung nicht ändern. Und da stand der Mann, prüfte und setzte
seine Pinselstriche und prüfte wieder usw. Aber wir brauchen gar
nicht ins Detail einzugehen, und die Szene kann sich vielleicht auch
anders abgespielt haben; wir wissen genau: so ist das wunschlose
Glück nicht, das sich selbst genügt und im Lebensstrom erfüllt. Auch
hier steht der Künstler seinem Leben gegenüber und muß ihm gegen-
überstehen, weil er Künstler ist. Man darf nicht glauben, dem Künstler
könne nichts Glückliches im Leben widerfahren. So ein Glaube wäre
barer Unsinn. Nur soweit er Künstler ist, steht er diesem Leben
gegenüber und erlebt es erst eigentlich im Schaffen. An der auf-
gewiesenen Kluft wird dadurch nichts geändert, ob es sich um an sich
lust- oder unlustbetonte Inhalte handelt. Nicht das bürgerliche Leben
ist der Maßstab, sondern daß das Leben nicht genügt. Es kann ein
Künstler begeistert als Freiwilliger in den Krieg hinausziehen und alle
Schlachten heldenmütig mitkämpfen, aber soweit er Künstler ist, wird
sein Lebenshunger nicht dadurch befriedigt, daß er all das Große und
Grauenhafte einfach mitmacht. Sondern er wird sich zuschauen, wie
er begeistert hinauszieht, wie er mutig kämpft usw. Und er wird
dies zu gestalten versuchen und vielleicht darunter leiden, daß er in
der Hast der sich überstürzenden Ereignisse nicht das Reifen des
Gestaltens abwarten kann, sondern immer wieder ins Leben hinein-
gerissen wird. Und der Maler wird vielleicht nach Leinwand und
Farben lechzen und hungern, weil sie ihm erst seine Erlebnisart ge-
statten, während das andere ihn zugleich zersprengt und doch nicht
erfüllt. Vielleicht wird er zurückgekehrt erst den Krieg erleben, seinen
Krieg. Und Max Liebermann war gar nicht draußen im Feld und
man gar nicht sich wünschen, als den Dichter, der sogar in den »Armen
der Geliebten« dichtet, also selbst in dieser Lage nicht einfach im
Erleben aufgeht, sondern dieses gestaltet; und dazu muß er ihm irgend-
wie gegenüberstehen. Denn er klatscht ja nicht, er dichtet. Und
wenn man die Maler erwähnt — wie Rembrandt oder Rubens — die
sich schwelgend in der Lust des Lebens abbilden, froh die Geliebte
auf dem Schöße, so liegt immer der Irrtum vor, als ob es sich dabei
um eine Momentphotographie handelt, die unbemerkt ein Stück ehe-
lichen oder außerehelichen Glückes erhascht. Aber hier ist der Maler
doch selbst der »Photograph«, und das Bild ist nicht Besieglung
eirter zwanglosen, momentanen Lage. Sondern der Maler hat eben
»gemalt«, d. h. mit seinen fiebernden Sinnen versucht, sein »Glück«
darzustellen. Es ist nicht das einfache, schlichte Glück, in dem der
Tatmensch aufgeht; sondern dieses Subjektive wird objektiviert. Da
saß vielleicht die Frau, mit blitzendem Schmuck und prächtigen Klei-
dern angetan, und saß stundenlang und ward müde und durfte ihre
Stellung nicht ändern. Und da stand der Mann, prüfte und setzte
seine Pinselstriche und prüfte wieder usw. Aber wir brauchen gar
nicht ins Detail einzugehen, und die Szene kann sich vielleicht auch
anders abgespielt haben; wir wissen genau: so ist das wunschlose
Glück nicht, das sich selbst genügt und im Lebensstrom erfüllt. Auch
hier steht der Künstler seinem Leben gegenüber und muß ihm gegen-
überstehen, weil er Künstler ist. Man darf nicht glauben, dem Künstler
könne nichts Glückliches im Leben widerfahren. So ein Glaube wäre
barer Unsinn. Nur soweit er Künstler ist, steht er diesem Leben
gegenüber und erlebt es erst eigentlich im Schaffen. An der auf-
gewiesenen Kluft wird dadurch nichts geändert, ob es sich um an sich
lust- oder unlustbetonte Inhalte handelt. Nicht das bürgerliche Leben
ist der Maßstab, sondern daß das Leben nicht genügt. Es kann ein
Künstler begeistert als Freiwilliger in den Krieg hinausziehen und alle
Schlachten heldenmütig mitkämpfen, aber soweit er Künstler ist, wird
sein Lebenshunger nicht dadurch befriedigt, daß er all das Große und
Grauenhafte einfach mitmacht. Sondern er wird sich zuschauen, wie
er begeistert hinauszieht, wie er mutig kämpft usw. Und er wird
dies zu gestalten versuchen und vielleicht darunter leiden, daß er in
der Hast der sich überstürzenden Ereignisse nicht das Reifen des
Gestaltens abwarten kann, sondern immer wieder ins Leben hinein-
gerissen wird. Und der Maler wird vielleicht nach Leinwand und
Farben lechzen und hungern, weil sie ihm erst seine Erlebnisart ge-
statten, während das andere ihn zugleich zersprengt und doch nicht
erfüllt. Vielleicht wird er zurückgekehrt erst den Krieg erleben, seinen
Krieg. Und Max Liebermann war gar nicht draußen im Feld und