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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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Stoltenberg, Hans Lorenz: Schwebreime
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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0205
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200 BEMERKUNGEN.

in entsprechenden Wörtern, vom Klanglaut der schwachbetonten Silbe an, alle Laute
gleich, z. B. in:

komm her, vom Heer und umfahren, zum Fahren.
Diesen Wörtern fehlt bei der großen Lautgleichheit eine genügende Verschieden-
heit der Bedeutung, als daß ihre Reimung besonderen Wen hätte. Nur der Voll-
ständigkeit halber habe ich sie noch erwähnt.

Nach den nun angestellten Untersuchungen erscheinen drei Doppelarten von
Schwebreimen als ganz besonders beachtenswert, zwei Doppelarten Abschwebreime,
die halben und die doppelten, und eine Doppelart Anschwebreime, nämlich die
doppelten Anschwebreime.

Von diesen sechs Arten endet eine stumpf, drei enden klingend und zwei
gleitend. Noch einmal sei je ein Beispiel gegeben:

1. reihum, sei stumm;

2. Treffziel, hinfiel,

3. Wanduhr, fand nur,

4. kein Weichen, ein Zeichen;

5. ausschalten, durchhalten,

6. eintragen, nein sagen.
Es ist einmal so, daß durch Maß und Reim ganz bestimmte Wörter der Sprache

bevorzugt, andere manchmal ausgeschlossen sind. Damit hängt aber zugleich eine
Auswahl der mit den Wörtern eng verknüpften seelischen Inhalte zusammen.

Stimmt das, so ist klar, daß mit der Einführung neuer Maße und der Zu-
lassung neuer Reime nicht bloß der Wortstoff, sondern mit ihm auch der Seelinhalt
der Gedichte sich ändert.

Sind nun Maße und Reime an Zahl gewachsen, so kann der Dichter immer
mehr vom Inhaltlichen ausgehen — er ist freier vom Wortstoff, weil unabhängiger
von Maß und Reim.

Wie das Reimen überhaupt, ist auch das Reimen mit diesen Wörtern Sache der
Übung. Daß — um die zu erreichen — ein Reimwörterbuch, in dem der Schatz
auch all dieser Reimwörter sich findet, von besonderem Vorteil sein kann, steht
außer Frage, ebenso aber, daß eine dadurch auch noch so geförderte Fertigkeit in
der Handhabung dieser Reime nur eine — wenn auch unerläßliche — Vorstufe ist
für wirklich künstlerische Verwendung.
 
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