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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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Stoltenberg, Hans Lorenz: Schwebreime
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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0204

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die zweiten Teile der Wörter, d. h. nur die Laute von dem Klanglaut der
schwachbetonten Silbe an, zur Übereinstimmung bringt.

Ich nenne an Zweisilbern:
heilbar, schön war; einsam, hinkam; neumacht, anlacht; Rheingold, Kobold, Unhold,
und von Dreisilbern:

treulose, Heckrose; ausgehen, vorstehen.
Diese Reime mögen die halben Abschwebreime heißen und im besonderen der
halbe Schwebfallreim und der halbe Schwebtanzreim. Auf sie kann kaum genug
hingewiesen werden, weil eine große Anzahl bisher nicht gereimter Wörter auf
einmal sich so als reimbar erweist und weil der Reim nicht nur besonders schön,
sondern auch besonders leicht zu bilden ist.

3. Die doppelten Abschwebreime endlich sind die, in denen die starkbetonte
Silbe und die schwachbetonte (mit oder ohne unbetonte Endsilbe) jede für sich
gereimt wird.

Zweisilber sind:

Kleinheit, Steinzeit; Westwind, Nestkind; Schauspiel, Baustil; Buchsbaum, wuchs

kaum; Scheusal, Neuwahl; Schonzeit, Gewohnheit, Lohnstreit; fernsein, Sternschein,

gern ein, Bernstein; Einwand, klein (fein, rein, [gejmein) fand, Einband, Leinwand,

(all)einstand, (hin)einband, Weinland, einstand, (sich) einfand

Dreisilber:

nachahmen, Fachnamen, wachsamen, (aufs) Dach kamen;
Sigmar Mehring, dessen Anregung ich viel verdanke, hat in seiner »Deutschen Vers-
lehre« auf diese »doppelten Abschwebreime«, wenn auch unter anderen Namen,
besonders hingewiesen; den dreisilbigen nennt er palimbachischen Reim oder Hink-
reim. Im Hinblick auf ihn schreibt er, »daß in unserer Sprache ein noch ungehobener,
sehr reicher Schatz von Reimklängen ruht, die geeignet sind, unsere Dichtung mit
einem neuen, ganz eigenartigen, mit einem viele abgenutzten Putzmittel verdrän-
genden Schmuck zu versehen«.

Das gilt aber nicht bloß für den Hinkreim, sondern ebenso für den doppelten
Schwebfallreim und für die beiden halben Abschwebreime.

Qehen wir dann noch zu den Anschwebreimen über.

1. Die halben Anschwebreime zeigen gar nichts Besonderes. Dem Reimteil
des Wortes geht eben nur eine — wenn auch noch so eng dazugehörige — schwach-
betonte Silbe voraus, wie in den Zweisilbern:

ans Meer, wie sehr; im Sinn, wohin
oder in den Dreisilbern:

wir fahren, vor Jahren.

2. Besonders hervorzuheben sind aber ihres eigentümlichen Reizes und auch
der großen Zahl der Wörter wegen, die dafür in Betracht kommen, die doppelten
Anschwebreime, der kurze und der lange, oder mit anderen Wörtern: der Schweb-
steigreim und der Anschwebwogreim. Hier reimen die schwachbetonte Silbe und
der zweite Teil des Wortes für sich. Man beachte die Zweisilber:

ruh aus, zuhaus; sofort, wo dort; dein Platz, ein Satz, mein Schatz, sein Spatz,

kein Schmatz
Und die Dreisilber:

umgeben, zum Leben; stehn trüber, gehn über; scholl heiter, soll weiter.
Besonders zu erwähnen ist hier auch die Verwendung von Fremdwörtern; so
reimen sich z. B.:

oval, total, Choral, Opal und andere mit: so fahl, o Qual.

3. Endlich ist dann noch der einfache Anschwebreim zu nennen. Hier sind
 
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