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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0218
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BESPRECHUNGEN. 213

•'npressionist ist »faul«. Darum die unglückliche Liebe zur Akademie: sie detailliert,
und sie baut aus dem Detail die Einheit. Hier nun die Synthese zu vollziehen,
das ist das unendliche Ziel der Kunst Menzels Er hat es nicht erreicht und er
hat ihm schwere Opfer gebracht. Mag vielleicht Kleinbürgerei, allzugroße Abhängig-
keit von der Umwelt darin stecken, von sehen Menzels ist es etwas Ungeheueres,
Wert allen Schweißes. Und auch ich kann in diesem Mühen nur einen Kampf ums
Titanische erblicken. Was konnten ihm die Impressionisten sein? Nichts; er
konnte das, was sie anstrebten, und den Weg, den er gehen wollte, vermochten
s'e ihm nicht zu weisen. Was konnte ihm die Akademie sein? immerhin eine
Hoffnung, wenn auch natürlich eine vergebliche. Denn seinen Weg mußte er
einsam gehen. Das Königsberger Krönungsbild aus dem Jahre 1865, das Ballsouper
aus dem Jahre 1878, das sind etwa die eigentlichen Höhenpunkte Menzelscher
Kunst; Stationen seines ureigenen Weges. Scheffler sagt über das Ballsouper:
"Alle Gestalten dieses Bildes wirken wie Porträts und sind doch auch wieder mehr
a's Porträts: es sind Typen der Zeit. Und ihre Stellungen sind mehr als Augen-
blicksgesten. Nichts ist das Bild weniger als eine Momentphotographie. Hunderte
von geistig verarbeiteten Einzelwahrheiten sind vielmehr mit erstaunlichem Können
zusammengetragen; das Bild ist ein wohlgeordneter Anschauungsextrakt, in den die
Lust am Seltenen und Absonderlichen überall hineinspielt. Zwanzig Bilder sind
in eins verschmolzen: das ist der Impressionismus Menzels. Daß bei so gehäuften
Einzelmotiven eine Art von malerischer Einheitlichkeit erzielt worden ist, bleibt er-
staunlich. Menzel beweist hier eine Instrumentierungskunst, wie sie kein anderer
deutscher Maler des neunzehnten Jahrhunderts besessen hat.« Und hier muß man —
meiner Ansicht nach — den Ausgangspunkt wählen, um das Wesen Menzels
2u erfassen, nicht um Kritik zu üben — die Qualitätsurteile Schefflers sind
durchaus berechtigt —, sondern um ihn zu erleben. Denn hier ist der »echte
Menzel«. Vielleicht haben wir damit die Perspektive, die uns das reiche Werk und
den Werkmeister verständlich macht: dieses Kunstwollen. Und mag ich irren —
>ch sagte bereits: ich bin kein Menzelforscher — dieses prinzipielle Problem bleibt
'Weifellos bestehen: denn hier ist das sonst so klare Werk Schefflers unklar, und
es bleibt eine Lücke. Es bedeutet aber das große Verdienst Schefflers, die ganzen
}"ragen so weit geführt zu haben, daß jene Entscheidungsfrage überhaupt gestellt
werden kann; es bedeutet sein Verdienst, mit sicherem Qualitätssinn hier Muste-
rung gehalten und unsere Kunstliteratur um eines ihrer lebendigsten Bücher be-
sichert zu haben. Daß Scheffler nicht jenes restlose historische Einfühlen besitzt,
Wird er wahrscheinlich als Glück empfinden: sonst wäre er nicht einer der besten,
Wenn nicht der beste unserer Kunstschriftsteller.

Rostock. Emil Utitz.

Fräulein M. Hamburger, die Verfasserin des im Januar-Heft angezeigten Buches
"ber das Formproblem, wünscht festgestellt zu sehen, daß die beanstandete Über-
Schrift »Gefühlsästhetik« sich nur im Inhaltsverzeichnis ihres Buches findet; im Text
selber (S. 67) steht der besser passende Ausdruck »Gehaltsästhetik«. M. D.
 
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