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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0523
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BESPRECHUNGEN.

Wölfflin (Klassische Kunst5 S. 98) dagegen schreibt von ihnen: »Am allerunglück-
lichsten sind die Musen, leere Bildungen«. Mir persönlich ist, so stark meine Er-
innerung an die Stanzen ist, von den Musen keine sichere Vorstellung geblieben.

Einzelheiten: Interessant ist die Stellung des Verfassers der Geschichte der
Päpste zum Michelangelo-Problem nach seiner inhaltlichen Seite. Er schreibt: »wie
weit der Meister mit seinen unbekleideten Athletengestalten über die Grenzen, die
im Bereiche des Schönen und im Gebiete des kirchlich-religiösen Kunstwerkes zu
beachten sind, hinausgegangen sei, darüber werden wohl stets gemischte Empfin-
dungen und geteilte Beurteilungen bestehen bleiben* (S. 77). Demgegenüber erscheint
die Untersuchung, ob Michelangelo von der Tradition abgewichen ist (S. 75 f.), doch
ängstlich, da ja Tradition nicht im Sinne der mündlich überlieferten Offenbarung
in Frage kommt.

Angeborene Denkgesetze (S. 96) sind kein Lehrstück der Scholastik schlechthin.
Die Entstehung der christlichen, katholischen Wissenschaft aus der Lehre der Väter
und der sie fortführenden Scholastik ist doch schematisch gesehen (S. 98). Es sei
nur verwiesen auf eine Abhandlung von G. v. Hertling, Augustinzitate bei Thomas
von Aquino. Wenn von der antiken Philosophie behauptet wird, sie habe in dem
Ringen nach »Erkenntnis des letzten Grundes aller Dinge« in Piaton und Aristoteles
ihren Abschluß gefunden (S. 97), so wird dabei doch die Bedeutung der neuplato-
nischen Spekulation für den Gottesbegriff verkannt. Das Zitat aus Dante (S. 100)
ist nicht wörtlich genau wiedergegeben. Format und Papier und Druck des Büch-
leins sind für Auge und Hand gleich angenehm.

München. Georg Schwaiger.

Hartlaub, G. F., Giorgiones Geheimnis. Ein kunstgeschichtlicher Beitrag
zur Mystik der Renaissance. München o. J., Allgemeine Verlagsanstalt. 86 S.
mit 9 Abbildungen im Text und 44 auf Tafeln.

Die Frage, ob das Werk Giorgiones — wie groß es immer sein mag — neben
der formalen und entwicklungsgeschichtlichen Betrachtungsweise noch eine beson-
dere inhaltliche Deutung zuläßt, etwa sogar fordert, darf auf Grund der Untersuchung
Hartlaubs wohl bejaht werden: wenn auch nicht mit unbedingter Gewißheit, die
der Verfasser selbst nicht für Gang und Ergebnis seiner Untersuchung beansprucht,
wohl aber mit einem Grad echter Möglichkeit. Diese Möglichkeit gilt der Richtung,
in der der Verfasser die Lösung sucht, und dem Ganzen der Beweisführung.

Das Geheimnis Giorgiones sieht der Verfasser vor allem in dem »Eindringen
eines ganz anderen Kreises von Sinnbildern und Handlungen« als der ist, der der
Regel nach einem Profanbild der Renaissance zugrunde liegt, wenn der Besteller
nicht selbst historisch oder allegorisch gefeiert werden wollte (S. 11). Diesen Gior-
gione und seinem Kreis eigenen Stoffkreis sucht der Verfasser In logenartigen Ge-
sellschaften (S. 15), im kultischen Sozietätswesen (S. 16), in »hermetischen« Adepten-
wie »akademischen« Philosophenbünden der Renaissance um 1500 (S. 44 f., 60). Im
engsten Sinne versteht der Verfasser unter Giorgiones Geheimnis Andeutungen über
die Natur dieser Gemeinschaft im einzelnen Fall, Andeutungen, die ihm in — frei-
lich nicht unberührt erhaltenen (S. 66) — Buchstaben zu liegen scheinen, die Bild-
nissen, z. B. dem Bildnis eines jungen Mannes im Kaiser-Friedrich-Museum in Ber-
lin, beigegeben sind (S. 68). Im Zusammenhang mit der Grundbedeutung steht noch
als dritter Sinn des Geheimnisses die Form, in der das Erotische bei Giorgione er-
scheint: -Alles Erotische, ja alles Fleischliche hat bei Giorgione einen einzigartigen,
man darf sagen kultischen Zauber (S. 57). Dieser Nebensinn kommt aber für die
Beweisführung nicht weiter in Frage.
 
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