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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0524
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BESPRECHUNGEN.

511

Um seine Hypothese, wie der Verfasser seinen neuen Beitrag zum Giorgior.e-
Problem wiederholt nennt (S. 54, 60), darzulegen und ihr Wahrscheinlichkeit — nicht
mehr — zu sichern, geht der Verfasser vom bestgesicherten Werk aus, das in Frage
kommt, von dem Wiener Bild, das gewöhnlich >Die drei Philosophen« genannt wird.
Von ihm liest er aus dem Kostüm, den Altersstufen, der Beschäftigung, der Auf-
stellung, den Attributen der Gestalten und aus der landschaftlichen Situation das
Neue ab, besser Hinweise auf das Neue der Stoffwelt. Zunächst in vorläufiger heu-
ristischer Weise (S. 15), ohne ein festes Erklärungsschema heranzutragen, aber doch
die Zeichen lesend wie einer, der eben eine Zeichensprache kennt (S. 11), und ge-
legentlich noch heute lebendige Analoga zuhilfenehmend (S. 14, 39). Durch diese
mit leiser Deutung sich verbindende Bildbeschreibung wird die ungefähre Richtung
auf das kultische Sozietätswesen der Renaissance gewonnen. Nun gilt es, die durch
die sehende und zeichenlesende Bildbeschreibung vorbereitete Deutung durchzu-
führen. Dazu ist aber erst noch notwendig, daß sie durchaus geschichtlich fundiert
wird. Deshalb setzt sich der Verfasser ein dreifaches Beweisziel: Erstens, daß schon
zu Zeiten Giorgiones, also um das Jahr 1500, in Italien, besonders auch in Venedig,
»logenartige« Gesellschaften bestanden haben, zu deren Wesen, Ritual und Lehr-
bilderkreis ein Gemälde wie die »Drei Philosophen« innerlich gehören könnte.
Zweitens, daß auch Künstler in derartigen Sozietäten vertreten waren. Und endlich,
daß auch abgesehen von den »Drei Philosophen« aus Giorgiones Kunst wahrschein-
lich wird, er habe selber einer solchen Gemeinschaft angehört und ihr künstlerisch
gedient (S. 15). Ein inhaltsreiches Kapitel, das sich auf mancherlei Literatur stützt
(z. B. Keller, Höhler, Kiesewetter, Silberer, Danzel, z. v. Anm. 13 ff., dazu noch
Anm. 60), legt den historischen Boden, bringt das historische Merkmal über das
kultische Sozietätswesen der Renaissance herbei. Gestützt auf dieses Material glaubt
der Verfasser dem Wiener »PhilosophenbiId< eine Deutung geben zu können, die,
wie er meint, selbst dem Skeptiker nicht mehr unwahrscheinlich erscheinen dürfte:
»Drei Männer sind nach Alter, Tätigkeit, Temperament und Tracht als symbolische
Vertreter der drei typischen Einweihungsgrade gekennzeichnet, wie sie in Mythos,
Spekulation und Ritual sowohl der »hermetischen« Adepten- wie der »akademischen«
Philoscphenbünde der Renaissance eine Rolle spielen. Sie sind dementsprechend
mit allerlei Lehrzeichen der hermetischen »Kunst« ausgestattet und mindestens der
Vertreter des ersten, jüngsten Grades ist, wie es seiner Aufgabe gemäß ist, deut-
lich als typischer »Saturnier« gekennzeichnet. Alle drei befinden sich in altüber-
lieferter symbolischer Anordnung unter Bäumen im Hain vor einer Höhle, die, nach
der Stellung der untergehenden Sonne zu schließen, im Osten zu denken ist« (S. 44 f.,
z. v. S. 48). Durch diese historisch-psychologische, aus Giorgiones Umwelt und
Innenwelt geschöpfte, die Angabe von Giorgiones (etwas jüngerem) Zeitgenossen
Michiel f». . . dclli 3 phylosophi-) ausbauende Bilderklärung soll die literarisch-philo-
logische von Schaeffer (S. 8), vor allem die erste in dieser Art, jene von Wickhoff
(S. 7 f.) ersetzt werden, die schon von anderer Seite, besonders von Gronau (S. 11
mit Anm. 7 Literatur), angezweifelt worden ist. Daß auch Justi noch Wickhoff sich
anschließt (S. 10), das gilt für die neue Fassung seines >Giorgione> nicht mehr (II,
S. 207). Er bezeichnet vielmehr Hartlaubs Erklärung für »recht einleuchtend« (S. 211,
217), möchte aber doch noch die Frage offen lassen, ob es sich um eine ganz be-
sondere, nur Eingeweihten zugängliche Darstellung der Weisheit handelt, oder um
eine auch weiteren Kreisen verständliche (S. 212).

Eine dem Philosophenbild verwandte Geisteshaltung sucht der Verfasser in
anderen Bildern von Giorgione und seinem Kreise nachzuweisen, was hier nicht
verfolgt werden soll — das Oeuvre-Problem im Auge behaltend (S. 46 ff.). Mit
 
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