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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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Bathge, Walter: Das Mysteriose und das Numinose als ästhetische Gefühlstypen: im besonderen Hinblick auf die Ballade
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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0033
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DAS MYSTERIÖSE UND DAS NUMINOSE USW.

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festigte ,gesunde Lehren' entgegenzutreten" (a. a. O. S. 180 f.). Die
erste Grundlage für eine Auseinandersetzung über den in Frage kom-
menden Gefühlstyp bleibt freilich ein Erlebnis, auf das dann auch Otto
hinweist mit seiner Aufforderung an den Leser, „sich auf einen Moment
starker und möglichst einseitiger religiöser Erregtheit zu besinnen" (S.8),
da ohne diesen seine Ausführungen unverständlich seien. Das Numinose
charakterisiert er nun zunächst als „das Heilige minus seines sittlichen
Momentes und . . . minus seines rationalen Momentes überhaupt" (S. 6),
als das Gefühl von etwas Realem, schlechthin Überlegenem, das als
Reflex in unserm Gemüt das Kreaturgefühl hervorruft, dessen klassischen
Ausdruck Abrahams Worte bilden: „Ich habe mich unterwunden, mit
Dir zu reden, ich, der ich Erde und Asche bin". (1. Mos. 18, 27.)
Es begreift in sich als Einzelmomente zunächst das Tremendum,
das Schauervolle, das sich etwa ausprägt in dem Gottesschrecken, den
Jahweh ausströmen kann (2. Mos. 23, 27) oder in dem delßa navixdv
der Griechen; weiterhin die Majestas, das schlechthin Übergewal-
tige, wie es zum Ausdruck kommt Hiob 9, 6 ff. oder Psalm 104, 32: „Er
schauet die Erde an, so bebet sie, er rühret die Berge an, so rauchen sie"
Dazu tritt das Energicum, das Moment des dämonisch Lebendigen,
„das, wo es erfahren wird, das Gemüt des Menschen aktiviert, zum
„Eifern" bringt, mit ungeheuerer Spannung und Dynamik erfüllt, sei es
in Askese, sei es im Eifern gegen Welt und Fleisch, sei es in heroischem
Wirken und Handeln, in dem die Erregtheit nach außen ausbricht"
(S. 28), ferner das Moment des Mysterium, Mysteriosum oder M i r u m ,
das Gefühl des „Ganz anderen", unvergleichlich Verschiedenen.
„Nur wer es nicht erkennt, kennt es;
Wer es erkennt, der kennt es nicht."1)
All diesen Momenten, die sich gegenseitig durchdringen, steht trotz
inniger Verflechtung doch in gewissem, nur gefühlsmäßig faßbarem Sinne
gegenüber „etwas eigentümlich Anziehendes, Bestrickendes, Faszinie-
rendes, das nun mit dem abdrängenden Momente des tremendum in
eine seltsame Kontrastharmonie tritt". (S. 43.)

„Vor dem die Worte kehren um

Und der Verstand, nicht findend ihn,

Wer dieses Brahman Wonne weiß,

Der fürchtet nun und nimmer nicht."

— „Du wehtest und ich kam zu Odem und Leben und atme in Dir.
Ich kostete Dich und hungere und dürste nach Dir.
Du berührtest mich und ich flammte auf in Deinem Frieden."1)
Nun aber steigert sich das Numinose zum Heiligen, wenn das
Faszinans nicht nur Anziehungskraft für mich besitzt, sondern objektiven

J) Aus den Upanischads und Augustin, von Otto in den „Aufsätzen, das Numi-

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