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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0266
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250

BESPRECHUNGEN.

voluntaristisch (S. 54 Une hautise d'absolu nous obsede; vgl. 190, 243 ... notre
esprit en mal d'infini), dann ästhetisch (S. 24 L'eurythmie provoque une impres-
sion d'infini, 190) und endigt mit der Anerkennung einer metaphysischen Idee, die
transzendentale Geltung haben kann (S. 194). Ja schon dem Dasein, für den Künst-
ler eine Vision (S. 232), wird der so seltsame, so unentbehrliche Eindruck des Ge-
heimnisvollen zugesprochen und das was am Geheimnisvollen das Verwirrendste
ist, der Hauch des Unendlichen (S. 190).

Hiemit ist lediglich die philosophische Richtung der Audraschen Ästhetik auf-
gezeigt worden. Auf ihre andere Seite, auf die das Formale und das Technische zu
Worte kommen lassende ,Künstler-Ästhetik' kann nicht mehr eingegangen werden.

München. Georg Schwaiger.

E. v. Sydow, Primitive Kunst und Psychoanalyse. Eine Studie
über die sexuelle Grundlage der bildenden Künste der Naturvölker." Imago-
Bücher Bd. X. Intern, psychoanalyt. Verlag, Leipzig/Wien/Zürich 1927.

Bücher, die sich auf zwei problematischen Gebieten zugleich bewegen, üben
stets eine besondere Anziehung aus, weil sie für den größeren Leserkreis eine
Fülle von überraschenden Beziehungen aufdecken. Soviel auch über den Ursprung
der bildenden Künste gedacht und geschrieben worden ist, immer bleibt ein Rest
von Unbefriedigung zurück: sei es, daß man wie Gottfried Semper von der
Ursituation des Lager- und Herdfeuers für die Baukunst ausgeht und später das
Schminken des Leibes doch als „ersten und bedeutsamsten Schritt zur Kunst" hin-
stellt, sei es, daß man mit Schmarsow vom Körper, seinen Dimensionen, den
Richtungen seiner Bewegung die räumlichen Gesetze aller Künste ableitet und da-
bei dem Tastsinn eine hohe Rolle zuschreibt, oder daß man schließlich wie (in
seiner Jugend) Grosse, Hoernes und nach ihnen V e r w o r n , Kühn u. a.
den Wirtschaftsformen maßgebenden Einfluß beimißt — immer klingen die Lösun-
gen um so vertrauenerweckender, je näher sie an den ganzen leib-seelischen Men-
schen herankommen. Diese Ausdruckseinheit triebhafter, vor-geistiger Art wird
stets der Zentralpunkt aller kunsttheoretischen Betrachtung bleiben. Und je weiter
wir in das noch unbewußte, aber um so sicherer, zwangsläufig sich ereignende Ge-
baren dieses triebhaften Urmenschen vordringen, desto mehr erkennen wir von den
Ursprüngen der Kunst.

Freuds psychoanalytische Methode, angelegt auf möglichst tiefe Erfassung der
unbewußten seelischen Vorgänge, hat sich bald über den Arbeitsbereich des Ner-
venarztes hinaus zu einer Theorie des menschlichen Seelenlebens überhaupt aus-
gebreitet. So ergab es sich von selbst, daß man den Vorgängen des künstlerischen
Schaffens im Kreise Freuds öfters das Interesse zuwandte, freilich unter Bevor-
zugung der Dichtung, die ihren Gehalt ja schon in gedanklich zubereiteter Form
zu bieten pflegt und daher leichter mit Gedanken-Werkzeug zu bearbeiten ist.

E. von Sydow, bekannt zuerst durch eine Reihe von Büchern über die Ge-
genwartskunst und -kultur, hat sich, nachdem er im 1. Bande der Propyläen-Kunst-
geschichte und in mehreren anderen Werken die Kunst der Primitiven unter moder-
nen kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten dargestellt hatte, wohl zwangsläufig vor
das Problem gestellt gesehen: aus welchen seelischen Schichten und Vorgängen
entspringen denn die Formen der primitiven Kunst? Und wer sich diese psycho-
logische Frage stellt, der muß sich heute mit der Psychoanalyse auseinandersetzen,
wenn anders er sich aller Erkenntnismittel bedienen will, die uns heute zur Ver-
fügung stehen.
 
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