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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0219
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BESPRECHUNGEN.

205

Renaissance und Humanismus". Durch ein quellengetreues und lebensvolles Bild
von Rienzos Schicksalen und von seiner Persönlichkeit wird Burdachs These: „daß
Dante, Petrarca, Rienzo „die drei großen Befreier der Phantasie", „die drei Er-
neuerer der Weltkultur" gewesen seien" (118), erheblich erschüttert. Denn: „Die
Kraft der Sehnsucht, das Aufbrechen neuer Welten erkennen wir überall an der
echten Leidenschaft und an der unangreifbaren Einheit von Leben und Lehre. Bei-
des fehlte" (120).

Berlin. Gertrud Jung.

Benedetto Croce: Ästhetik als Wissenschaft vom Ausdruck.

(Gesammelte philosophische Schriften 1, Reihe 1), übertragen von Hans Feist

und Richard Peters. J. C. B. Mohr, Tübingen 1930, LXXI, 522 S.

Diese, wie man bald sehen wird, durchaus ablehnende Besprechung läßt die
Einordnung der Ästhetik in Croces philosophisches Lehrgebäude beiseite, da wir in
unserer Zeitschrift als Ästhetiker über eine Ästhetik sprechen wollen. Es braucht
nur gesagt zu werden, daß nach Croce sowohl der erkennende als auch der (wirt-
schaftlich und sittlich) handelnde Geist auf der Intuition als der dialektisch ersten
Geistestätigkeit des Menschen ruhen.

Was ist Intuition? Sie ist Anschauung in dem Sinne, daß eine „passive" Wahr-
nehmung zum Ausdruck gesteigert wird. Genaue, in Einzelheiten genaue Wahr-
nehmungen (und anschauliche Vorstellungen) gelangen zur Reife, sobald sie in
Strichen, Worten usw. niederzulegen sind. Im Grunde fällt also Intuition mit Aus-
druck zusammen; es gibt eine intuitive „oder" expressive Erkenntnis; und diese ist
der ästhetische „oder" künstlerische Akt. Die dürre und formelhafte Fassung dieses
Hauptgedankens läßt die geschichtlichen und sachlichen Zusammenhänge, in denen
er steht, nicht sichtbar werden1). Aber es bedarf nur des Hinweises auf Schillers
Begriff der Totalität und Hegels Begriff des Ideals, damit die eigentliche Bedeutung
der Lehre vor unser Auge tritt: nämlich die wahrhaft tiefe Einsicht, daß Geistiges
und Erscheinendes eine Einheit bilden können. Sinn und Sinne brauchen sich nicht
zu bekämpfen. Im Ästhetischen ist alles Äußere verinnerlicht und alles Innere ver-
äußerlicht. Das innere Bild vollendet sich in Wort, Ton, Gestalt; es gewinnt Klar-
heit und Festigkeit im Ausdruck. Diese alte Einsicht ist wesentlich, weil sie das
Ästhetische über das bloße Wahrnehmen und unbestimmte Fühlen hinaushebt, ohne
es in das fremde Reich des Logischen zu verjagen. Wahrnehmen und Fühlen an sich
— das ist der Kernpunkt — sind stumm; der Künstler löst ihnen die Zunge, die
ihnen, wie jedermann weiß, nicht fehlt.

Die in jener wohlbekannten Anschauung enthaltenen Probleme sind von Croce
entweder nicht gesehen oder nicht gelöst worden. Seine Lehre, die ich mit einem
schon früher verwendeten Wort als Steigerungslehre bezeichnen würde, verkennt
den Unterschied zwischen Klarheit der Intuition und Gestaltungskraft. Sie läuft
auf den Irrtum heraus: die Maler sehen genauer, daher vermögen sie ein Bild zu
schaffen. „Wie können wir eine geometrische Figur intuitiv erkennen, wenn wir

') Vgl. hierzu A. Baeumler in dieser Zeitschrift Bd. XVI S. 308 ff. Für Goethe
verweise ich auf einen Brief an Zelter (vom 28. März 1SÜ4): „Man begreift nur,
was man selbst machen kann, und man faßt nur, was man selbst hervorbringen
kann"; dasselbe ist später auch von Novalis und Nietzsche gesagt worden, wenn
mich mein Gedächtnis nicht täuscht.
 
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