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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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Stockhammer, Moritz: Ästhetik und Rechtswissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0239
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Ästhetik und Rechtswissenschaft.

Von

Moritz Stockhammer.

Kelsens methodologische Ergebnisse in der Rechtstheorie, die sich
immer mehr als sichere Tragbalken der Staatslehre erweisen, sind viel-
fach in Analogie oder in Opposition zur naturwissenschaftlichen Metho-
dik gewonnen. So muß z. B. das Postulat der Systemeinheit wie in der
Natur-, so auch in der Rechtserkenntnis seine Erfüllung finden1), wäh-
rend der Kausalität der Natur die Normativität des Rechtes gegenüber-
steht2). Eine noch weiter reichende Übereinstimmung der Problemstruk-
turen und -lösungen tritt bei Vergleichung von Theologie und Rechts-
theorie zutage, welche Erscheinung in der Verwandtschaft beider Dis-
ziplinen begründet ist3). Und jüngst wurden auch Rechts- und Sprach-
wissenschaft in beziehungsreiche Parallele gesetzt4).

Besteht doch die Aufgabe der Wissenschaftslehre geradezu in der
Konfrontation der die Wissenschaften aufbauenden Prinzipien. Besonders
fruchtbringend gestaltet sich dieses Unternehmen bei benachbarten Wis-
sensgebieten wegen der auf langen Strecken ähnlichen Problemlagen.
Dies ist nun zwischen Ästhetik und Rechtstheorie der Fall. Aber auch
bei noch nicht konsolidierten Disziplinen wirft eine vergleichende Be-
trachtung einen lohnenden Ertrag ab, da wegen bzw. trotz der metho-
dologischen Gärung und der auf den ersten Blick verwirrenden Entfal-
tung die logischen Grundlinien bei eingehender Überlegung hervor-
stechen müssen. Auch die Unausgereiftheit trifft bis zu einem gewissen
Grade für unsere beiden Wissenschaften zu.

1) ,.Die Einheit der Rechtswelt ist vom erkenntnistheoretischen Standpunkt
aus nicht anderer Art als die Einheit der Natur" (Hans Kelsen, Allgemeine
Staatslehre 1925. S. 105). — Überhaupt ist Kelsen bemüht, den „Zusammenhang
der rechtswissenschaftlichen Probleme mit den großen Fragen anderer Wissen-
schaften aufzuzeigen" (Ebenda S. VI.).

3) Kelsen lehrt die „Normgesetzlichkeit des Wertes ... im bewußten Ge-
gensatz zu der Kausalgesetzlichkeit ... der Natur" (Ebenda S. 44).

3) Siehe hiezu Kelsens „Staatslehre" S. 76 ff.

4) Walther Eckstein, Jurisprudenz und Grammatik, Zeitschr. für öffent-
liches Recht. Bd. VII. S. 394 ff.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXVI. 1 r
 
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