Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0314
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
300

BESPRECHUNGEN.

gen des Bakis" und der „Faust" behandelt. Eine bisher sonst noch nirgends er-
reichte Ausschöpfung des „Märchens" erweist, wie dieses uns die „Bedingungen
der Erhöhung menschlichen Daseins" als „allgemeinstes Lebensgesetz, als höchstes
Symbol der Bildung vor Augen stellt", und zwar nicht allein für das Leben des
Individuums, sondern auch für das der Völker und der Gemeinschaft überhaupt.
„Aus den Weissagungen des Bakis" werden zwar „nur einige Strophen heraus-
gegriffen." Aber das geschieht im Hinblick auf Weg und Ziel des Ganzen der
Untersuchung mit besonders glücklicher Hand. Und für die Art, wie Weinhandl sie
deutet, kann er sich gerade auf Goethe selbst berufen, um im Sinnenfälligen des
täglichen Lebens die übersinnliche Bedeutsamkeit des sittlichen, metaphysisch-reli-
giösen Wahrheitsgehaltes der Dichtung aufgewiesen zu sehen und diesen Aufweis
als Sinn und Sendung der Dichtung überhaupt zu verstehen. Ich möchte zur Er-
gänzung dessen, um aus vielem wenigstens einiges herauszugreifen, nur darauf hin-
weisen, wie Goethe selbst in „Wahrheit und Dichtung" sein Leben deutet, wie
bezeichnend schon der Titel dieses Werkes seiner Lebensdeutung ist, und in einem
wie tiefen Sinn endlich er bekennt, „der Dichtung Schleier aus der Hand der
Wahrheit" empfangen zu haben1).

Wenn Weinhandl nun zum Abschluß seines Werkes sich dem Faust zuwendet,
so will er damit selbstverständlich keine vollinhaltliche Darstellung dieses Werkes
geben. Er will auch nicht, wie etwa Rickert, in großartiger Linienführung die Ein-
heit des Werkes herausarbeiten. Gemäß dem Aspekt auf eine „Metaphysik des Sym-
bols", unter dem der dritte Hauptteil seiner Untersuchung steht, handelt es sich
für Weinhandl „nicht um an ein Ende kommen zu wollen, wo es kein Ende gibt,
aber um dem eigentlichen Zweck des Deutens zu genügen: um das Gefühl der
symbolischen Bedeutsamkeit gegen jede Form von Abschluß, der entweder alle-
gorisch oder realistisch schon am Ende ist, durchzusetzen und sich selbst aus-
sprechen zu lassen"; und zwar „am Gegenstand, am tatsächlich Gesagten und
Dargestellten", um die Aufgabe wissenschaftlich und zu einer Deutung im Sinne
Goethes zu gestalten. Unter dem Gesichtspunkte dieses Zieles sind dann die im
Gange der Untersuchung behandelten Fragen, wie etwa die, in welchem Sinne von
einer „Idee" im „Faust" die Rede sein kann, in welchem nicht, oder diejenigen von
Makrokosmos und Mikrokosmos, oder die der „zwei Seelen", „Mephisto", Gretchen-
tragödie, Helena-Akt, Euphorion usw. zu betrachten. Es wäre also eine unbillige
Verkennung der Grundabsicht des Autors, da eine allseitige Erörterung zu fordern,
wo es gerade auf den symbolischen Sinn ankommt. Und doch wird gerade mit dem
Verständnis dieses Sinnes auch dem Verständnis des Ganzen in hervorragendem
Maße gedient.

Meine Besprechung hat den für Besprechungen im allgemeinen üblichen Um-
fang nicht unerheblich überschritten. Dennoch hat sie sich gegenüber der Fülle des
Stoffes und der Gesichtspunkte, die Weinhandls Werk darbietet, eigentlich nur auf
Andeutungen beschränken müssen. Damit ist auch schon gesagt, wieviel uns dieses
Werk selber zu sagen hat. Und vielleicht können auch meine bloßen Andeutungen
einen Hinweis auf die Bedeutung der Leistung geben, die dieses Buch darstellt.
Sie kann und soll auch nicht durch die gelegentlich geübte Kritik geschmälert
werden. Vielmehr möchte diese gerade andeuten, daß sich eine Auseinandersetzung
mit dem Werke wahrhaft lohnt, für das die Goethe-Forschung überhaupt, ganz

J) Darauf bin ich selber näher eingegangen in einem Vortrage über „Goethes
geistige Gestalt", den ich bei der von der Universität und Stadt Jena zusammen
mit der Jenaer Ortsgruppe der Goethe-Gesellschaft veranstalteten Feier von Goethes
100. Todestage gehalten habe, und der im „Logos" erscheinen wird.
 
Annotationen