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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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Hartlaub, Gustav Friedrich: Zum Problem der Wiederholung in der Geistesgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0083
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Zum Problem der Wiederholung in der Geistesgeschichte

Von

G. F. H a r 11 a u b

L. C o e 11 e n, der in dieser Zeitschrift Scheltemas vorletztes Werk, „Die Kunst
der nordischen Vorzeit" (1936), besprach, hat bereits die lebendige Gesetzlichkeit
betont, mit der die Schriften dieses Prähistorikers und Stilforschers aufeinander fol-
gen. Das Buch von 1923 („Die altnordische Kunst") hatte das Werden der altnordi-
schen Ornamentik bis zur Völkerwanderung behandelt als eine organische, inner-
seelisch bedingte Stilentwicklungseinheit im Sinne der Wölfflinschen und Riegischen
Beobachtungen, die sich so auch im vorgeschichtlichen Bereich bewährten. 1936
folgte die Ausweitung über das Ganze der bildenden Künste der Vorzeit und seine
Zuordnung zu den gesamten geistig-kulturellen Lebensäußerungen als zu dem tragen-
den Grunde auch stilistischer Abfolgeerscheinungen. Inzwischen ist nun (1937)
wieder ein neuer bedeutsamer Schritt in der alten Richtung getan1). Um ihn voll zu
ermessen, müssen wir freilich noch einmal bei der vorigen Etappe verweilen und
Ausschau halten.

Die Dreiteilung von Jungsteinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit (geradlinige, krumm-
linige-, Tier-Ornamentik) entsprach bei Sch. einer gesetzmäßigen Lebensentfaltung,
einem Grundrhythmus, der zunächst von außen her gleichsam nach innen „einatmet"
(zentripetal) — ein „Einstülpungsprozeß" nach vorangegangener peripherer Bin-
dung —, der dann einen Augenblick im harmonischen Gleichgewicht verharrt,
um endlich (zentrifugal) wieder „auszuatmen"; worauf eine Art von „Umschal-
tung" erfolgen und von der wiedererreichten Peripherie her ein neuer, gleichförmiger
Beginn auf freilich veränderter Ebene stattfinden kann. Der Kunsthistoriker Schel-
tema sah, daß dies ungefähr dem entspricht, was man in den historischen Stilabfol-
gen archaisch, klassisch und barock nennen kann — natürlich in der periodischen,
nicht in der einmalig-historischen Anwendung dieser Stilbegriffe (er selbst benutzt übri-
gens diese Ausdrücke nicht, sondern begnügt sich mit den Bezeichnungen einer A-, B-,
C-Stufe). Dieser Dreierrhythmus, so ergab sich dann weiter, scheint sich nun aber
in noch größeren Wellen zu wiederholen: der Perioden folge Jungsteinzeit-
Bronzezeit-Eisenzeit entspricht z. B. die größere Epochen folge von nordischer
„Vorzeit" (nicht Antike, die ja gar nicht zu unserer bodenständigen Entwicklung
gehört, sondern sie nur überlagert!) — „Mittelalter" — „Neuzeit". Größer noch ist viel-
leicht die Dreiheit „Urzeit" (bis zum Paläolithikum) — „Vorzeit"-„geschichtliche Zeit"
Nordeuropas. Es steht frei, noch riesigere Wellen anzunehmen und damit schließlich

*) Frederik Adama van Scheltema: Die geistige Wiederholung. Der Weg des
Einzelnen und seiner Ahnen. — Mit 32 Kunstdrucktafeln. Bibliographisches Institut
A.G., Leipzig (1937).
 
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