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Zangemeister, Karl
Bericht über die Wiedervereinigung der Manessischen Liedersammlung mit den Handschriften der Bibliotheca Palatina — Heidelberg, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.4594#0002
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— 59 —

Die erste Nachricht über die bevorstehende Rückkehr dieses Kleinodes über-
brachte der Herr Referent des Grossh. Ministeriums, Geh. Referendar Dr. L. Anis-
perger am Sonntag den 8. April bei einer Besprechung mit Herrn Prorector Geheim-
rath Dr. Julius Arnold und dem Oberbibliothekar. Der Herr Referent eröffnete den
beiden Genannten, dass laut Mittheilung des preussischen Gesandten zu Karlsruhe
in den nächsten Tagen ein Feldjäger als Abgesandter des Herrn Grafen zu
Münster, deutschen Botschafters in Paris, die fragliche Handschrift nach
Heidelberg bringen werde; das Grossherzogliche Ministerium wünsche, dass die
Übergabe in feierlicher Weise erfolge und dass die Universität Dankschreiben an
Se. Majestät den Kaiser, Se. Königliche Hoheit den Grossherzog und an Se. Durch-
laucht den Reichskanzler Fürst Bismarck absende.

Nachdem am Dienstag Morgen 8 Uhr Sr. Magnificenz die Nachricht zugegangen
war, dass an diesem Tage der Feldjäger wahrscheinlich um 12 Uhr eintreffen werde und
angewiesen sei, die Handschrift direkt in die Bibliothek zu bringen, wurde zur Be-
sprechung dieser Angelegenheit auf 10 Uhr eine Sitzung des Engeren Senats anberaumt
und zu derselben der Oberbibliothekar mit eingeladen. Dieselbe war kaum eröffnet, als
eine Depesche meldete, dass der Feldjäger bereits Vormittags 10 Uhr 45 Min. ankommen
werde. Im Auftrage des Engeren Senats hatten Herr Geh. Hofrath Kariowa, Dekan
der juristischen Fakultät, und der Oberbibliothekar am Montag den 9. Nachmittags
ein feierliches Protokoll entworfen über eine Übergabe des Codex an den Ober-
bibliothekar, welche in der Aula in Gegenwart des ganzen akademischen Lehrkörpers
stattfinden sollte. Von dieser Feierlichkeit musste unter den jetzigen Umständen
Abstand genommen werden. Seine Magnificenz begab sich sofort an den Bahnhof,
die Mitglieder des Engeren Senats und der Oberbibliothekar dagegen in die Bibliothek.
Um 11 Uhr trafen der Herr Prorektor und der Feldjäger, Herr Lieutenant
Walter Stumpff, vor der Bibliothek ein und wurden von dem Oberbibliothekar in das
zu ebener Erde links gelegene Palatina-Zimmer geleitet. Die von Herrn Lieutenant
Stumpff mitgebrachte, wohlversiegelte und an die „Bibliotheca Palatina" adressirte
Kiste wurde hier vor den Augen der Versammelten (es waren dies: Herr Prorektor
Arnold, Exprorektor Holsten, Dekan Prof. Merx, Dekan Prof. Kariowa, Dekan Prof.
Czerny, Prodekan Professor von Duhn, Oberbibliothekar Zangemeister, Bibliothekar
Wille und Herr Lieutenant Stumpff) eröffnet und die sorgfältig verpackte Hand-
schrift Herrn Prorektor eingehändigt. Seine Magnificenz übergab dieselbe mit einer
Ansprache, welche die hohe Bedeutung dieser Wiedergewinnung eines so werth-
vollen, in trüben Zeiten verlorenen und jetzt von dem neuen Reiche zurückerstatteten
Kleinods kennzeichnete, dem Oberbibliothekar zur Einverleibung in die Universitäts-
bibliothek. Letzterer begrüsste seinerseits die Rückkehr dieser Handschrift als ein
hocherfreuliches Ereigniss und versprach für sorgfältigste Aufbewahrung derselben
stets Sorge zu tragen. Die bisherige „Pariser Liederhandschrift" werde von heute
an wieder eine „Heidelberger Liederhandschrift" sein und es hoffentlich für alle
Zeiten bleiben. ■— Darauf revidirte der Oberbibliothekar den ganzen Band Blatt
für Blatt und fand, dass derselbe in vollständigem Zustande abgeliefert war. Er
konstatirte dies den anwesenden Herren und erklärte zugleich, die Handschrift
werde als Codex Palatinus Germanicus N. 848 den ührigen 847 deutschen Hand-
schriften der Bibliotheca Palatina angereiht werden.

Zum Schlüsse wurde dem Herrn Feldjäger Lieutenant Stumpff' der Empfang
der Handschrift bescheinigt und zwar 1) in seinem Dienstbuch durch Herrn Prorektor
und 2) in einer besonderen Urkunde nach dem Entwürfe des Dekans der juristischen
Fakultät, Herrn Geh. Hofraths Kariowa. Diese letztere Bescheinigung wurde von
Herrn Prorektor und dem Oberbibliothekar unterzeichnet und mit dem Siegel der
 
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