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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Meyer, Julius: Die französische Malerei seit 1848: mit Berücksichtigung des Salons von 1866[3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0081

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Die französische Malerei seit 1848.

mente der Leidensgeschichte Jesu sucht er auf diese Weise die Seele des Beschauers zu ge-
winnen. In seinen weiblichen Porträts ist eine gewisse malerische Distinktion; durch
die fein modellirten und warmgestimmten Gesichtszüge soll das Innenleben, die fühlende
Seele ahnungsvoll hindurchlenchten, und in der That, man fühlt sich unmerkbar von diesen
Bildnissen angezogen, wenn auch die allzuweiche Behandlung, der sentimental und durchaus
moderne Ausdruck die Kritik Herausfordern. —
Mit Landelle und Jalabert haben wir die religiöse Malerei des Zeitalters be-
rührt, können uns aber hier in dies weite Feld nicht einlassen. Auch tritt in ihr der
Charakter der jüngsten Kunst so wenig, wie die ästhetischen Neigungen des zweiten Kaiser-
reichs zu Tage. Noch immer und so eifrig als je werden Kirchen und Kapellen ausge-
schmückt, wie ja auch in den neugebauten Stadtvierteln neue Kirchen im üppigen Stil der
Spätrenaissance oder in einer reichen Kombination der romanischen Weise mit der letzteren
mit zauberhafter Schnelligkeit aus dem Boden schießen. Wie es diesen Bauten an der
Breite und Einfachheit des monumentalen Stils und am ernsten Ausdruck ihrer Bestimmung
gebricht, so anch den Gestalten jener Malerei. Talent und Kenntniß zwar lassen sich auch
einem großen Theil dieser Werke nicht absprechen, unv was die kirchliche Kunst bei uns
hervorbringt, kann sich mit den Franzosen noch immer nicht messen. Allein davon ganz
abgesehen, daß es dem Maler nun weniger als je gelingt, den leeren abgestorbenen Hüllen
der christlichen Mythenwelt ein übersinnliches Leben oder den heiligen Gestalten den Zug
religiöser Innigkeit wieder einzuhauchen, den ihnen das moderne Bewußtsein sammt ihrer
Seele entrissen hat — davon ganz abgesehen, so fehlt es ja nun mehr als je an einer
großen Anschauung der Form, am Gefühl für den Rhythmus der Linien, an der Fähigkeit
für reiche Gliederung der Komposition. An den Bedingungen also, welche allein noch den
religiösen Werken ächten künstlerischen Reiz verleihen können. Wohl bemühen sich noch eine
Anzahl Maler, meistens Ausläufer der Jngres'schen Schule, auch auf diesem Gebiete um
ernste stilvolle Darstellung. Allein es ist eine entseelte Formenschönheit von mehr oder
minder akademischem Gepränge, womit sie die heilige Geschichte abzufinden suchen; oder
eine gesuchte Einfachheit per Zeichnung und des Ausdrucks, eine gemessene Würde der Kom-
position, ohne eigenes Leben und mit anspruchsvoller Nachbildung, abgesehen den großen
italienischen Meistern. Von der letzteren Art ist z. B. Timbal, dem wohl der weit tiefere
und begabtere Flandrin als Muster vorfchwebt. Eine andere Klasse geht auch hier vorab
auf weltliche, malerische Wirkung aus und will den religiösen Stoffen aushelfen durch den
Heißeren Schein eines der Natur und Sinnlichkeit zugewandten Lebens. So kehren jene
beiden Gattungen der idealen Kunstweise hier wieder, und in der That sind es auch auf
beiden Seiten größtentheils die oben Genannten, denen die kirchlichen Aufgaben zugefallen
sind. Für die neueste Kunst aber ist es bezeichnend, daß sie die biblischen Gestalten, welche
noch die Flandrer und Florentiner des fünfzehnten Jahrhnnderts harmlos in das Gewand
ihrer Zeit kleiden, immer mehr zu idealisiren, mit einer ätherischen, den Leib verzehrenden
Schönheit auszustatten trachtet und doch auf der einen Seite eine weltliche Anmuth, auf
der anderen die Beimischung derbsinnlichen Lebens nicht entrathen kann.
Da- wir von monumentaler Kunst reden, ein Wort noch von der Ausschmückung der
kaiserlichen Paläste. Es war schon die Rede davon: auch in dieser Beziehung hat die
Gegenwart keine eigenthümlichen Schöpfungen zu Stande gebracht. Dem Kaiserreich genügt
für seine öffentlichen Räume die prunkende Verherrlichung des französischen Staatslebens,
die in der napoleonischen Regierung als der Krone des Ganzen gipfelt und zu glänzend
dekorativer Wirkung in anspruchsvollen Kompositionen die französischen Nationalhelden,
mythische und allegorische Figuren in bunter Menge durcheinander mischt. Der Art ist die
 
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