Aus München.
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Ganzen hinter ihnen zurückstehen, ein Fehler, den der junge nicht unbegabte Künstler sicherlich bald
verbessern wird. Besser berechtigt ist es jedenfalls wenn man, wie Markart in seinem der Schack'schen
Galerie angehörigen schlafenden Ritter, zu dem die Nixen sich drängen, den Accent auf die Stimmung
anstatt auf die Charaktere legt. Das träumerifch Sinnliche der ganzen Scene, wie es Heine feiner
Zeit in den Worten aussprach: ,,doch unser Ritter ist nicht so dumm,-etwa erwachen zu müssen, er
läßt sich ruhig im Mondenschein von schönen Nixen küssen" und damit wohl dem Maler das Bild
eingab, ist trefflich dadurch wiedergegeben, daß sie der Künstler wohlweislich aus dem kühlen Mond-
schein in den heißen Mittag unter die dunkeln Schatten dichtbelaubter südlicher Bäume verlegt hat,
so daß wir die Figuren nur im unsichern Halblicht sehen, daß ein blitzender Sonnenstrahl der sich
durch's Dickicht gestohlen verbreitet und das Ganze durchaus unpersönlich wirkt, auch die Figuren
nur Träger einer elementaren Stimmung sind. Dafür ist denn auch das Landschaftliche des Bildes
am besten gerathen, und das Stückchen, auf das die Sonue scheint, ist von so eminenter Meister-
schaft, daß es dem größten Künstler genügen könnte — und mir lieber wäre als die sublimste ,,Jdee",
der zuliebe ein altmodischer Kunstkritiker sechs Seiten über ein schlechtes Bild zu schreiben im
Stande wäre.
Mit dem reinen Stimmungsbilde wären wir somit freilich von der Historie weg und beim Genre
angekommen, obwohl Markart im Grunde mehr Historischen Stil als die meisten vor ihm besprochenen
hat, und zwar Stil in Form, besonders aber in Farbe. Ohne uns indeß hier weiter mit der
sehr mißlichen Abgrenzung beider Gebiete aufzuhalten, wollen wir uns lieber freuen, daß auch in
letzterer Gattung einiges Treffliche geleistet worden. Außer einer Bacchantin von Willich und einem
Sänger von Fries, die beide ein fruchtbares Studium der Venetiauer zeigen, wäre hier zunächst ein
kleines Bildchen von Franz Seitz anznführen, das wieder einen sehr erfreulichen Fortschritt des
moderne Stoffe, etwa im Stile Meisfonier's, behandelnden Künstlers aufweist. Er führt uns
einen alten Herrn vor, der bei kühlem Trank aus der Zeitung einem Jäger sowie der Haushälterin
das Neueste mittheilt, Alles mit so natürlicher Bewegung der Figuren, mit solcher Feinheit der Modelli-
rung und Durchbildung im Ton, daß nicht mehr viel fehlt, um sich der Absichtslosigkeit und Unbe-
fangenheit, mit der die guten Niederländer solche Scenen geben, wenigstens zu nähern, und
Einem die Empfindung ganz zu benehmen, daß man nicht sowohl Erlebtes als geschickt Komponirtes
vor sich habe. Erfreulich durch die angenehme malerische Wirkung und gute Charakteristik war auch ein
Hochzeitszug Dachauer Bauern von Sebastian Zimmermann, ein Bild, dem eine gewisse naive Un-
mittelbarkeit den Reiz erhöhte. Beide Werke so wie noch mehrere der vorgenannten sind Eigenthum
der Wimmer'schen Kunsthaudlung dahier, die zum großen Nutzen unserer Malerwelt ihren Geschäfts-
kreis immer weiter nach allen Weltgegenden ausbreitet und allein für sich einen größern Umsatz hat
als der ganze Kunstverein. Daß sie denselben überdieß nicht nur in der Quantität, sondern auch in der
Qualität ihrer Erwerbungen sehr hinter sich läßt, da jenes Institut auch im neuen Lokal nach der Elle
kauft wie im alten, das ist ein Vorwurf, der leider nickt dadurch gemildert wird, daß er nachgerade ein un-
bestreitbares Verjährungsrecht für sich hat, und daß man auch anderwärts beständig versucht, immer wie-
der den alten Krätzer hineinzufüllen, wenn man sich neue Schläuche angeschafft. Sicherlich wird Nie-
mand behaupten wollen, daß der Heurige Jahrgang, der eingeheimst worden, durch seinen übermäßigen
Geist, seine entsetzliche Wildheit dieselben etwa sprengen werde; unsere Kunst ist überhaupt weit
eher zu zahm als zu wild, und wenn je ein Unglücklicher den Versuch macht, ein wenig über die
Schnur zu Hauen, so zeigt sich gleich, -daß jeder biedere Deutsche einen Polizeidiener im Nacken trägt,
der dann schleunigst ein Geschrei erhebt, als käme durch etwas zuviel Asphaltverfchwendung das ganze
theure Vaterland in die Dinte. — Es war dieß nicht leicht lustiger zu beobachten, als bei einer großen
Landschaft des eben besprochenen Markart, einem Bilde, das in koloristischer Potenz geradezu ein
Ereigniß genannt werden kann, weil es das, was der modernen, besonders aber der deutschen Malerei
fast immer fehlt, die Einheit und Kraft des Tons, in einem sehr hohen Grade besaß, wie ich sie
hier, in München wenigstens, nie gesehen zu haben wüßte. Römische Ruinen darstellend, die sich
vom sumpfigen Gewässer des Vordergrunds im tiefen Schatten dunkler Chpresfengruppen an steiler
buschiger Felswand hin aufwärts ziehen, bis sie in vollem Sonnenschein den Hügel krönen, erfüllt
das Bild ein solcher Zauber elegisch ernster Stimmung, daß es jedweden Blick gefangen nimmt; es
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Ganzen hinter ihnen zurückstehen, ein Fehler, den der junge nicht unbegabte Künstler sicherlich bald
verbessern wird. Besser berechtigt ist es jedenfalls wenn man, wie Markart in seinem der Schack'schen
Galerie angehörigen schlafenden Ritter, zu dem die Nixen sich drängen, den Accent auf die Stimmung
anstatt auf die Charaktere legt. Das träumerifch Sinnliche der ganzen Scene, wie es Heine feiner
Zeit in den Worten aussprach: ,,doch unser Ritter ist nicht so dumm,-etwa erwachen zu müssen, er
läßt sich ruhig im Mondenschein von schönen Nixen küssen" und damit wohl dem Maler das Bild
eingab, ist trefflich dadurch wiedergegeben, daß sie der Künstler wohlweislich aus dem kühlen Mond-
schein in den heißen Mittag unter die dunkeln Schatten dichtbelaubter südlicher Bäume verlegt hat,
so daß wir die Figuren nur im unsichern Halblicht sehen, daß ein blitzender Sonnenstrahl der sich
durch's Dickicht gestohlen verbreitet und das Ganze durchaus unpersönlich wirkt, auch die Figuren
nur Träger einer elementaren Stimmung sind. Dafür ist denn auch das Landschaftliche des Bildes
am besten gerathen, und das Stückchen, auf das die Sonue scheint, ist von so eminenter Meister-
schaft, daß es dem größten Künstler genügen könnte — und mir lieber wäre als die sublimste ,,Jdee",
der zuliebe ein altmodischer Kunstkritiker sechs Seiten über ein schlechtes Bild zu schreiben im
Stande wäre.
Mit dem reinen Stimmungsbilde wären wir somit freilich von der Historie weg und beim Genre
angekommen, obwohl Markart im Grunde mehr Historischen Stil als die meisten vor ihm besprochenen
hat, und zwar Stil in Form, besonders aber in Farbe. Ohne uns indeß hier weiter mit der
sehr mißlichen Abgrenzung beider Gebiete aufzuhalten, wollen wir uns lieber freuen, daß auch in
letzterer Gattung einiges Treffliche geleistet worden. Außer einer Bacchantin von Willich und einem
Sänger von Fries, die beide ein fruchtbares Studium der Venetiauer zeigen, wäre hier zunächst ein
kleines Bildchen von Franz Seitz anznführen, das wieder einen sehr erfreulichen Fortschritt des
moderne Stoffe, etwa im Stile Meisfonier's, behandelnden Künstlers aufweist. Er führt uns
einen alten Herrn vor, der bei kühlem Trank aus der Zeitung einem Jäger sowie der Haushälterin
das Neueste mittheilt, Alles mit so natürlicher Bewegung der Figuren, mit solcher Feinheit der Modelli-
rung und Durchbildung im Ton, daß nicht mehr viel fehlt, um sich der Absichtslosigkeit und Unbe-
fangenheit, mit der die guten Niederländer solche Scenen geben, wenigstens zu nähern, und
Einem die Empfindung ganz zu benehmen, daß man nicht sowohl Erlebtes als geschickt Komponirtes
vor sich habe. Erfreulich durch die angenehme malerische Wirkung und gute Charakteristik war auch ein
Hochzeitszug Dachauer Bauern von Sebastian Zimmermann, ein Bild, dem eine gewisse naive Un-
mittelbarkeit den Reiz erhöhte. Beide Werke so wie noch mehrere der vorgenannten sind Eigenthum
der Wimmer'schen Kunsthaudlung dahier, die zum großen Nutzen unserer Malerwelt ihren Geschäfts-
kreis immer weiter nach allen Weltgegenden ausbreitet und allein für sich einen größern Umsatz hat
als der ganze Kunstverein. Daß sie denselben überdieß nicht nur in der Quantität, sondern auch in der
Qualität ihrer Erwerbungen sehr hinter sich läßt, da jenes Institut auch im neuen Lokal nach der Elle
kauft wie im alten, das ist ein Vorwurf, der leider nickt dadurch gemildert wird, daß er nachgerade ein un-
bestreitbares Verjährungsrecht für sich hat, und daß man auch anderwärts beständig versucht, immer wie-
der den alten Krätzer hineinzufüllen, wenn man sich neue Schläuche angeschafft. Sicherlich wird Nie-
mand behaupten wollen, daß der Heurige Jahrgang, der eingeheimst worden, durch seinen übermäßigen
Geist, seine entsetzliche Wildheit dieselben etwa sprengen werde; unsere Kunst ist überhaupt weit
eher zu zahm als zu wild, und wenn je ein Unglücklicher den Versuch macht, ein wenig über die
Schnur zu Hauen, so zeigt sich gleich, -daß jeder biedere Deutsche einen Polizeidiener im Nacken trägt,
der dann schleunigst ein Geschrei erhebt, als käme durch etwas zuviel Asphaltverfchwendung das ganze
theure Vaterland in die Dinte. — Es war dieß nicht leicht lustiger zu beobachten, als bei einer großen
Landschaft des eben besprochenen Markart, einem Bilde, das in koloristischer Potenz geradezu ein
Ereigniß genannt werden kann, weil es das, was der modernen, besonders aber der deutschen Malerei
fast immer fehlt, die Einheit und Kraft des Tons, in einem sehr hohen Grade besaß, wie ich sie
hier, in München wenigstens, nie gesehen zu haben wüßte. Römische Ruinen darstellend, die sich
vom sumpfigen Gewässer des Vordergrunds im tiefen Schatten dunkler Chpresfengruppen an steiler
buschiger Felswand hin aufwärts ziehen, bis sie in vollem Sonnenschein den Hügel krönen, erfüllt
das Bild ein solcher Zauber elegisch ernster Stimmung, daß es jedweden Blick gefangen nimmt; es