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Zeitschrift für bildende Kunst — 2.1867

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Förster, Erwin: Werke der Kunst um einen Groschen[1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.71569#0276

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Werke der Kunst um einen Groschen.


„O, die Gute!" jubelte es in mir und ich fühlte mich bald als Krösus; plötzlich aber riß sie
mich aus meinen goldenen Träumen, indem sie mit tiefer Rührung sagte:
„Gewiß, Herr Vetter, thäte ich's gerne, allein in den jetzigen Zeitläuften ist es so schwer, das
Geld zusammen zn halten; auch muß ich für mein Landhaus einen Esel kaufen, denn es fällt mir
das Gehen schwer und es ist mein Grundsatz, auf dem Lande mir Bewegung zu machen; vielleicht
ist's aber später möglich."
Ich gestehe, daß es mich beleidigte, einem Esel nachgesetzt werden zu sollen. Zum Glück hatte
ich mir einige der neuen Bilderbögen für diesen Aufsatz gekauft und hatte also Lossow's Arbeit Lei
mir, worin dieser zeigt, „was ein Esel für ein boshaftes Thier ist." Scheinbar gleichgültig holte
ich sie hervor, denn Madame ist eine Freundin vom Bilderansehen und sagte:
„Apropos, liebe Cousine (ich nannte sie nur so, um ihr zu schmeicheln), Haben Sie schon die
neuen Bilderbögen gesehen?"
„Was, sind neue erschienen? O, lassen Sie mich sehen", Lat sie mich und ich legte vorsichts-
halber Nr. 424 zu unterst.
Madame war sehr entzückt
sowohl von den Trachtenbil-
dern des sechzehnten Jahr-
hunderts, von Leutemann's
Welt in Bildern, als auch
W. Busch's drolligen Ge-
schichten. Wenn das blut-
und also auch thränenreiche
Jahr 1866 etwas Erfreu-
liches, Erheiterndes bieten
kann, so sind es unbedingt
diese Bilderbögen.
Madame stimmten darin
vollkommen mit mir überein.
Um aber wieder ans besagten
Hammel zu kommen, nämlich
ans den Esel, so war sie fast
erschrocken über die Bosheit
des Thieres; sie frng mich
auf's Gewissen, ob denn der

kleine Langohr wirklich so heimtückisch oder ob das nicht vielmehr eine Erfindung Lossow's sei?
„O, ganz und gar nicht", antwortete ich, „der Esel, Cousine, ist wirklich sehr, sehr boshaft;
er beißt seinen Reiter in den Fuß, läuft mit Ihnen zwischen engstehende Bäume, führt Sie in die
Disteln, stellt sich unter den rauschenden Wasserfall nnd hilft das Alles nichts, fo legt er sich in
die nächste beste Pfütze und verdirbt Ihnen die beste Robe."
„Hm", sagte sie nachdenklich, „aber die Geschichte da mit dem Hündchen ist doch nicht wahr,
es wäre schrecklich, würde der Esel meinen kleinen, süßen Jolli so auf den Schweif treten; ich fiele
wirklich in Ohnmacht."
„Heiliger Losfow steh mir bei!" dachte ich innerlich, laut aber sagte ich: „Wahrlich, Cousine,
Sie dürfen Ihrem Jolli zulieb, keinen Esel kaufen, denn diese Thiere sind namentlich auf Hunde
erbost; denken Sie sich, Sie ritten den Schinderberg hinauf und Ihr Efel attaquirte siegreich den
armen Jolli, Gott, gnädige Frau, es würde Ihnen schwarz vor den Augen, Sie fühlten Ihre
Sinne schwinden, das Gleichgewicht verließe Sie, Sie taumelten und vermöchten sich nicht mehr im
Sattel zu Halten; Sie stürzten tief, tief in den jähen Abgrund und kämen unten zerschmettert an.
Gott, ich kann, ich mag nicht weiter denken, Cousine, und an all Dem wäre nur ein Esel Schuld
gewesen!"
 
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