LITERARISCHE ANZEIGE. 95
zugleich seit der Mitte des XI. Jahrh. sicher datirt, d. h. in Cöln. Ausser der Marienkirche auf dem
Kapitale, zeigen sich in dieser Stadt allein noch vier Nachbildungen. Neben den schon anderwärts ge-
nannten von S. Aposteln, S. Martin und S. Andreas (der Umbau des XV. Jahrh. zeigt in den unteren
Theilen der Conchen noch Reste aus dem Anfange des XIII. Jahrh. in spitzbogig romanischer Weise)
füge ich jetzt noch S. Georg hinzu. Ein in der Kirche vorhandenes Modell derselben zeigt auch hier
dieselbe Formbildung als ehemals vorhanden gewesen, und eine genauere Untersuchung der Giebelfronten
des Kreuzes lässt erkennen, dass sie ehemals gegen eine Vorlage, die nicht, mehr existirt, geöffnet wa-
ren; nur würde die Polygonform der Absiden des Modells auf eine Erneuerung derselben aus spaterer
Zeil hinweisen. Die Ilauptanlage selbst aber gehurt gewiss schon der ursprünglichen Erbauung im XI.
Jahrh. an, als zweites Beispiel derselben neben der Kapitolskirche, und lasst dadurch die Vermuthung um
so wahrscheinlicher werden, dass beide schon ältere Muster derselben Stadt vor Augen hatten, welche,
oder besser deren vorausgesetzte Vorbilder, eben bis in die Anfänge des Christenthums in diesen Gegenden
hinaufsteigen werden. Nehmen wir an, im IV. Jahrh. etwa sei ein solches in Cöln aufgerichtet worden,
so ist es keineswegs nothwendig, für diese Form eine direkte Nachahmung irgend eines anderen, etwa
bürgerlich-weltlichen Monuments vorauszusetzen. Derselbe Geist, welcher letztere erschuf, konnte auch
sehr wohl einen Kirchenplan bilden, der demselben weder in der Komplication des flgurirten Grund-
risses, noch in anderen Formen nachstand. Wenn daher sehr wohl in der alten Colonia Agrippina, die
sich ihres kaiserlichen Ursprungs bewusst war, weltliche Gebäude von ähnlichen Grundrissbildungen vor-
handen sein mochten, wie sie die Bäder von Trier zeigen, wobei wir letzteren immer einen grösseren
Luxus der Durchbildung zugestehen wollen, so wäre eine solche Annahme immer noch wahrscheinlicher,
als die direkte Kopie eines in Trier befindlichen Monuments. Herr v. Roisin grabt selbst den Grund-
riss einer neuerlich am Fusse der Pyrenäen ausgegrabenen Villa, und erkennt in ihr eine grosse Analo-
gie der Anlage mit der des Hauptsaales der Thermen zu Trier; doch würde dies weniger hervortreten,
wenn er die anderen seitlichen Anbauten mit ihren Absiden nicht weggelassen hätte. Wir selbst vermö-
gen in dem blossen Hervortreten von mehreren Absiden nach verschiedenen Richtungen hin dies nicht
in demselben Maasse anzuerkennen. Nur das gestehen wir zu, dass die Vorliebe spätrömischer Archi-
tekturen, Nischen und Vorsprünge der verschiedensten Form, namentlich aber halbkreisförmige, den Ge-
bäuden der verschiedenartigsten Grundformen und Formverbindungen vorzulegen, sich in beiden manil'e-
stirt. Nicht minder geschah dies aber auch anderwärts, wovon namentlich die grossartigslen aller römi-
schen Anlagen, die der Thermen in Rom, die auffälligsten Beispiele liefern. Ganz besonders aber ver-
weisen wir auf die bei Montfaucon {Antiq. expl. II, 1.) abgebildeten Grundrisse, welche Soria in der
Umgegend Roms aufgefunden hatte, unter denen die auf PI. 34. 41. 46. 48 abgebildeten namentlich auch
die Dreiconchen-Anlage zeigen, z. Th. in grösserer Uebereinstimmung mit den niederrheinischen Kirchen,
als der Thermensaal in Trier.
Aber auch die direkte Nachahmung eines solchen in Cöln etwa vorhanden gewesenen weltlichen
Gebäudes möchten wir nicht annehmen. Muss man für die Anlage des im IV. Jahrh. in Trier erbauten
Doms ein weltliches Gebäude derselben Stadt zum Vorbilde annehmen, das vielleicht nur wenige Decen-
nien älter, oder demselben selbst gleichzeitig war? Eben so auch in Cöln. Derselbe Geist spälrömi-
scher Architektur, welcher die Absidenbildungen der Thermen schuf, bildete, vom Geiste Gottes verklärt,
den Christen auch gleichzeitig die reicheren Kirchenf'ormen. Daher darf es nicht auffallend sein, dieselbe
Dreiconchen-Anlage gleichzeitig zu Bethlehem wie zu Cöln zu linden. Auch die constantinische Haupt-
kirche zu Antiochien war mit Absiden reichlich versehen, und noch jetzt erkennen wir dieselbe Eigen-
thümlichkeit bei der, wohl auch noch im IV. Jahrh. errichteten Kirche S. Lorenzo in Mailand. Erst das
von Rom aus veranlasste Ueberhandnehmen der reinen Basilikenform verdrängte im Occidente die ab-
weichenden Bildungen, oder beschränkte sie doch auf ein geringes Maass, wie bei den Dreiconchen-Kir-
chen; während im Oriente gegentheils die anfänglich auch hier nicht seltene Basilikenform mehr und
mehr zurücktrat, um den flgurirten Centralanlagen der byzantinischen Periode das Feld zu überlassen.
Doch wollen wir gern zugestehen, dass diese dem späteren Rom, namentlich seit den Zeiten des Cara-
calla so charakteristischen Bildungen, wohl selbst erst vorzugsweise der seit jener Zeit besonders mäch-
tigen Einwirkung orientalischer Formen ihren Aufschwung verdanken, und deshalb in Palmyra und ßaal-
bek ihre früheste und üppigste Entfaltung zeigen. Wenn der christliche Orient also später diese Form
besonders begünstigte, so ist dies nur als eine orientalische Reaction anzuerkennen während gegentheils
zugleich seit der Mitte des XI. Jahrh. sicher datirt, d. h. in Cöln. Ausser der Marienkirche auf dem
Kapitale, zeigen sich in dieser Stadt allein noch vier Nachbildungen. Neben den schon anderwärts ge-
nannten von S. Aposteln, S. Martin und S. Andreas (der Umbau des XV. Jahrh. zeigt in den unteren
Theilen der Conchen noch Reste aus dem Anfange des XIII. Jahrh. in spitzbogig romanischer Weise)
füge ich jetzt noch S. Georg hinzu. Ein in der Kirche vorhandenes Modell derselben zeigt auch hier
dieselbe Formbildung als ehemals vorhanden gewesen, und eine genauere Untersuchung der Giebelfronten
des Kreuzes lässt erkennen, dass sie ehemals gegen eine Vorlage, die nicht, mehr existirt, geöffnet wa-
ren; nur würde die Polygonform der Absiden des Modells auf eine Erneuerung derselben aus spaterer
Zeil hinweisen. Die Ilauptanlage selbst aber gehurt gewiss schon der ursprünglichen Erbauung im XI.
Jahrh. an, als zweites Beispiel derselben neben der Kapitolskirche, und lasst dadurch die Vermuthung um
so wahrscheinlicher werden, dass beide schon ältere Muster derselben Stadt vor Augen hatten, welche,
oder besser deren vorausgesetzte Vorbilder, eben bis in die Anfänge des Christenthums in diesen Gegenden
hinaufsteigen werden. Nehmen wir an, im IV. Jahrh. etwa sei ein solches in Cöln aufgerichtet worden,
so ist es keineswegs nothwendig, für diese Form eine direkte Nachahmung irgend eines anderen, etwa
bürgerlich-weltlichen Monuments vorauszusetzen. Derselbe Geist, welcher letztere erschuf, konnte auch
sehr wohl einen Kirchenplan bilden, der demselben weder in der Komplication des flgurirten Grund-
risses, noch in anderen Formen nachstand. Wenn daher sehr wohl in der alten Colonia Agrippina, die
sich ihres kaiserlichen Ursprungs bewusst war, weltliche Gebäude von ähnlichen Grundrissbildungen vor-
handen sein mochten, wie sie die Bäder von Trier zeigen, wobei wir letzteren immer einen grösseren
Luxus der Durchbildung zugestehen wollen, so wäre eine solche Annahme immer noch wahrscheinlicher,
als die direkte Kopie eines in Trier befindlichen Monuments. Herr v. Roisin grabt selbst den Grund-
riss einer neuerlich am Fusse der Pyrenäen ausgegrabenen Villa, und erkennt in ihr eine grosse Analo-
gie der Anlage mit der des Hauptsaales der Thermen zu Trier; doch würde dies weniger hervortreten,
wenn er die anderen seitlichen Anbauten mit ihren Absiden nicht weggelassen hätte. Wir selbst vermö-
gen in dem blossen Hervortreten von mehreren Absiden nach verschiedenen Richtungen hin dies nicht
in demselben Maasse anzuerkennen. Nur das gestehen wir zu, dass die Vorliebe spätrömischer Archi-
tekturen, Nischen und Vorsprünge der verschiedensten Form, namentlich aber halbkreisförmige, den Ge-
bäuden der verschiedenartigsten Grundformen und Formverbindungen vorzulegen, sich in beiden manil'e-
stirt. Nicht minder geschah dies aber auch anderwärts, wovon namentlich die grossartigslen aller römi-
schen Anlagen, die der Thermen in Rom, die auffälligsten Beispiele liefern. Ganz besonders aber ver-
weisen wir auf die bei Montfaucon {Antiq. expl. II, 1.) abgebildeten Grundrisse, welche Soria in der
Umgegend Roms aufgefunden hatte, unter denen die auf PI. 34. 41. 46. 48 abgebildeten namentlich auch
die Dreiconchen-Anlage zeigen, z. Th. in grösserer Uebereinstimmung mit den niederrheinischen Kirchen,
als der Thermensaal in Trier.
Aber auch die direkte Nachahmung eines solchen in Cöln etwa vorhanden gewesenen weltlichen
Gebäudes möchten wir nicht annehmen. Muss man für die Anlage des im IV. Jahrh. in Trier erbauten
Doms ein weltliches Gebäude derselben Stadt zum Vorbilde annehmen, das vielleicht nur wenige Decen-
nien älter, oder demselben selbst gleichzeitig war? Eben so auch in Cöln. Derselbe Geist spälrömi-
scher Architektur, welcher die Absidenbildungen der Thermen schuf, bildete, vom Geiste Gottes verklärt,
den Christen auch gleichzeitig die reicheren Kirchenf'ormen. Daher darf es nicht auffallend sein, dieselbe
Dreiconchen-Anlage gleichzeitig zu Bethlehem wie zu Cöln zu linden. Auch die constantinische Haupt-
kirche zu Antiochien war mit Absiden reichlich versehen, und noch jetzt erkennen wir dieselbe Eigen-
thümlichkeit bei der, wohl auch noch im IV. Jahrh. errichteten Kirche S. Lorenzo in Mailand. Erst das
von Rom aus veranlasste Ueberhandnehmen der reinen Basilikenform verdrängte im Occidente die ab-
weichenden Bildungen, oder beschränkte sie doch auf ein geringes Maass, wie bei den Dreiconchen-Kir-
chen; während im Oriente gegentheils die anfänglich auch hier nicht seltene Basilikenform mehr und
mehr zurücktrat, um den flgurirten Centralanlagen der byzantinischen Periode das Feld zu überlassen.
Doch wollen wir gern zugestehen, dass diese dem späteren Rom, namentlich seit den Zeiten des Cara-
calla so charakteristischen Bildungen, wohl selbst erst vorzugsweise der seit jener Zeit besonders mäch-
tigen Einwirkung orientalischer Formen ihren Aufschwung verdanken, und deshalb in Palmyra und ßaal-
bek ihre früheste und üppigste Entfaltung zeigen. Wenn der christliche Orient also später diese Form
besonders begünstigte, so ist dies nur als eine orientalische Reaction anzuerkennen während gegentheils