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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0237
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KLEINEHE AUFSÄTZE UND NOTIZEN. 233

In dem trefflichen Künstler dieses meisterlichen Bildes erkennt man in besonders hohem Grade
den Einfluss der hohen Ausbildung der realistischen Richtung der niederländischen Malerei, wie ich
diesen in den im Jahre 1371 ausgeführten Miniaturen des Jean de Bruges in dem jetzt in der Biblio-
thek Werstreenen im Haag Befindlichen Gebetbuch König Carl's V. ausführlich nachgewiesen habe. *) Die-
ser war aber bekanntlich der Bruder des Herzogs von Berry, so dass man mit Sicherheit voraussetzen
darf, wie die Miniaturmaler des letzteren jene als Vorbild benutzt haben. Die sehr individuellen Köpfe
sind in einem gebrochenen Ton, von einem starken Braun, fein modellirt, die Verhältnisse schlank, die
Motive sprechend und bequem, die Hände gut bewegt und zierlich, obwohl von mageren Fingern. Die
Ausbildung der Räumlichkeit ist für die Zeit ausserordentlich, der Vortrag, in einem guten Impasto mit
zarten Strichen, vereinigt Weiche mit Bestimmtheit. Die Bäume haben noch die convenliönelle, spitze
Form, welche sie etwa von 1360 an erhallen. Sowohl das Fahle des Grüns, als die matte Oberfläche
sprechen bestimmt für einen französischen Künstler, und höchst wahrscheinlich haben wir hier die
Hand jenes Jaquevrart, oder Hodin, ohne dass man indess im Stande ist, es einem der Beiden mit
einiger Sicherheit beizumessen.

Das Bild des Februars ist besonders wegen der Ausbildung einer tief verschneiten Winterland-
schaft mit einer Stadt und Bergen im Hintergrunde bewunderungswerth, welcher alles Andere unter-
geordnet ist. So im Vorgrunde der Durchschnitt eines Hauses, worin ein Mädchen und zwei junge
Männer sich an einem Camin wärmen, so Schafe in einer Hürde mit einem Dach, beschneite Bienen-
körbe, ein Mann der einen Baum fällt, und ein Eseltreiber. — Auch das Bild des März ist eine Landschaft,
worin der zart kühle Gesainmtton, das Gefühl des ersten Anbruches des Frühlings vortrefflich. Eine
Veste von sehr malerischer Ansicht in der Ferne, über welcher ein goldener Drache in der Luft fliegt,
soll, wie der Herzog von Aumale meint, dem ich hierin ganz beistimme, wahrscheinlich die Stadt Lu-
signan, und jener Drache die, in einen solchen verwandelte, schöne Melusine darstellen. Die noch laub-
lose Natur wird durch Hirt und Heerde, Winzer, welche die Reben beschneiden, Landleute mit der
Aussaat und dem Pfluge beschäftigt, belebt. — In dem Bilde des April tritt ein anderer Künstler ein,
welcher dem ersten in der Zeichnung nachsteht, ihn aber an Frische der Farben in der Landschaft und
Freiheit der Behandlung übertrifft. Die Köpfe der Figuren, vier Damen, von denen zwei sitzend Blumen
pflücken, zwei mit zwei Herren zusammenstehen, sind zu klein, leerer in den sonst hübschen Formen
und kälter im Ton. Die Falten der Gewänder der Sitzenden sind breit und weich. Das Grün der
Bäume ist sehr frisch und gesättigt, ein mit Silber gemachtes Wasser zart mit Grau abgetönt. Dahinter
erhebt sich ein Schloss. — Das Bild zum Mai von derselben Hand zeigt eine Maifahrt, oder die statt-
liche Weise, wie man in den höheren Ständen den Wonnemond im Mittelalter zu feiern pflegte. Vor
einem in dem frischen Grün des Frühlings prangenden Gehölz, hinter welchem eine Stadt hervorragt,
bewegt sich ein Beiterzug von reichgekleideten Damen mit Kränzen, und Herren mit Halsbändern von Laub
unter dem Vortritt von fünf ebenfalls berittenen Musikanten, Trompetern etc., einher. Der Eindruck des
Festlichen, Fröhlichen und Frischen in diesem Bilde ist vortrefflich. — In dem Bilde des Juni, einer
Landschaft von zart kühler Wirkung mit der sehr malerischen Ansicht einer Stadt im Hintergründe, tritt
wieder die Hand des ersten Künstlers ein. In zwei zierlichen Mädchen im Vorgrunde, welche Heu
häufeln, während drei Männer im Mittelgrunde es mähen, zeigt sich wieder seine Meisterschaft in der
Figur. Die eine, mit einem weissen Schleier, hat ein feines Profil. — Der Juli wird wieder durch die
zweite Hand in einer Landschaft, worin eine Veste, von mit Silber gemachten Gräben umgeben, ver-
gegenwärtigt. Im Mittelgrunde schneiden zwei Männer mit der Sichel Getreide. Im Vorgrunde Hirt und
Hirtin mit einer Schafheerde. — Von derselben Hand rührt auch das Bild für den August her, worin
eine Dame und zwei Herren mit Damen auf der Kruppe auf die Falkenjagd reiten. In dem mit Silber
gemachten Flusse Badende. Im Hintergründe die Getreideernte und eine Veste. Das Ganze reizend und
von sehr zartem Gesainmtton. — Der September wird hier, wie sonst gewöhnlich der October, durch
die aufs Stattlichste dargestellte Weinlese charakterisirt. In der sehr ausgebildeten Landschaft sieht man
eine gothische Veste. Die Figuren sind hier etwas roh, wie dieses meist in den Bildern von dem
späteren, wahrscheinlich kurz vor dem Jahre 1460 in dem Buche thätigen Maler, von denen dieses das
erste, der Fall ist. — Dagegen erkennt man in dem zum October gehörigen Bilde wieder die erste

*) S. Deutsches Kunstblatt 1S52. Nr. 30. S, 248.

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