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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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232 KLEINERE AUFSÄTZE UND NOTIZEN.

Anfang wird jeder Monat des Calenders durch ein, eine ganze Seile einnehmendes Bild eröffnet. Ueber
jedem Bilde befindet sich ein in drei Streuen gegliederter, halbkreisförmiger Bogen, und in dem azurnen
Bogenfelde, ebenfalls in Blau, jedesmal eine Gottheit. So beim Januar Apollo, als alter langbärtiger
Mann auf einem Wagen in der Form jener Zeit, der das Ansehen eines Karren mit einem Zelte darauf
hat, die goldene Sonnenscheibe auf beiden Händen tragend. Vor dem Wagen zwei geflügelte Pferde im
Galopp. Der unterste, weisse Streif ist jedesmal dazu bestimmt, die Angabe des Mondwechsels und die
Zahl der Tage jedes Monats anzugeben. Bei dem Januar, wie bei einigen anderen Monaten, fehlt indess
die betreuende Schrift. Der blaue Streif, der sich zunächst darüber schlingt, enthält jedesmal zwei
Himmelszeichen, so beim Januar den Steinbock und den Wassermann, beim Februar den Wassermann
und die Fische, bei dem März die Fische und den Widder u. s. w. Der abschliessende, weisse Streif
endlich ist für die Angabe der Tage bestimmt, in welchen jedes der beiden Himmelszeichen regiert.
Aber auch diese Angabe fehlt öfters. Alle diese Bildchen, blau in blau, sind von einer, aber von allen
denen der grossen Bilder verschiedenen Hand. Särnmtliche Bilder aber deuten auf französische Künstler
hin, welche bald unter einen niederländischen, bald unter einen italienischen Einlluss gerathen, bald
endlich wieder die eigentümlich französische Kunstweise festhalten.

Von den grossen Bildern begnüge ich mich nur eins ausführlich zu beschreiben. Ich wähle
hierzu das erste (Bl. I. b.) zum Januar gehörige, als das reichste und merkwürdigste. Um die in diesem
Monat übliche Beschäftigung zu geben, ist hier die Darstellung des Herzogs bei einer ceremoniellen Mit-
tagstafel gewählt worden. Der hinler einem, mit einem weissen Tischtuche von mit grösster Feinheit
angegebenem rautenförmigen Muster bedeckten Tische sitzende Herr ist mit einem Pelz von azurnem
Goldbrocat und mit einer Pelzmütze bekleidet. Sein Gesicht ist durchaus individuell und sehr lebendig.
Er ist im Gespräch mit einem Prälaten, seinem einzigen Tischgenossen. Auf der reichbesetzten Tafel
befindet! sich die Gerichte in goldenen und silbernen Schüsseln. Am meisten zeichnet sich indess ein
grosses, sehr gut in Braun, mit Auf höhung in Pinselgold, gemaltes Gefäss von der Form eines Schilfes
mit zwei hohen Schnäbeln aus. Auf der Spitze des einen Schnabels ist ein Bär, auf der des anderen
ein Schwan angebracht. Diese sollen, zusammen ausgesprochen, ours-cygne, den Namen Oursine (kleine
Bärin) ausdrücken, welchen der Herzog seiner zweiten Gemahlin, Joanne de Boulogne et d'Aubergne,
gegeben halte*), und kommen auch öfter in anderen Gebetbüchern des Herzogs vor. In dem Gelasse
liegen mehrere goldene Teller. Drei sehr reich gekleidete junge Herren versehen die Aufwartung. Ein
knieender Diener, der Länge nach halb in grauer, halb in rother Livree, ist beschäftigt, einem weissen
Windhunde von einer Keule Fleisch abzuschneiden. Bechts der Schenktisch mit goldenen Prachlgefässen,
welche für die frühe Zeit (spätestens 1416) höchst auffallender Weise durchaus nicht mehr
von gothisehen, sondern von sehr zierlichen Formen der Renaissance sind, ein schlagender
Beweis, wie früh, wenigstens für Geräthe, dieser Geschmack nach Frankreich gelangt ist. Vor dem
Bullet steht ein junger Herr, welcher einein wie oben gekleideten Diener, der Weinkrug und Schale,
beide von Gold, hält, zwei Gefässe hinreicht. Hinter dem Herzoge befindet sich eine, etwa drei Fuss
hohe, mit einem Teppich von blauem Goldbrocat bedeckte Schranke, und hinler derselben der Sene-
schal, ein sehr lebendiges Bildniss, in schönem reihen Bocke, worauf goldene Kronen, mit goldenem
Brustkragen, woran dergleichen Troddeln, seinen Amtsstab auf der rechten Schulter, welcher die vor ihm
in goldener Schrift stehenden Worte: „wprodte, a.proche", vier prächtig gekleideten Herren zuruft, von
denen die zwei vordersten sehr gut durch abwehrend erhobene Hände ausdrücken, dass ihre Ehrfurcht
vor der Nähe des Herzogs es ihnen schwer macht, dieser Aulforderun« Folge zu leisten. Aul der
anderen Seite hinter dem Herzog Architektur mit; einem Camin, dessen Feuer indess nur leicht ober-
halb eines, an einer hölzernen Stange befestigten Schirmes von feinem Korbgellecht angedeutet ist.
Darüber ein rother Traghimmel, worin in drei Bunden das Wappen des Herzogs, goldene Lilien auf
blauein Felde, und, in der oben angegebenen Bedeutung, zwei Bären und sieben Schwäne. Im Hinter-
gründe Aussicht ins Freie. In der Mitte zwei Reiterhaufen im Beginn des Kampfes oder Tourniers
mit Lanzen, rechts ein dritter, welcher aus dem Thor einer Stadt hervorkommt, links ein vierter, von
denen indess nur die Spitzen der Helme, die Banner und die Lanzen hinter dem Camin hervorragen.

*) Das Nähere in einer Notiz über ein Gebelbuch desselben Herzogs in der Bibliothek der alten Herzoge von
Burgund. von dem Bibliothekar derselben, Herrn Marghai, im XI, Bande, No. ti, der Bullelins der königl. Akademie von Brüssel.


 
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