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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0175
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303

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 10.

304

in Florenz, an die in der Vereinigung von
Schmiedeeisen und Bronzegufs den höchsten
Reichthum entfaltenden Gitter der flandrischen
Kirchen und an die kunstvollen Spätrenaissance-
und Rococco - Gitter von München, Konstanz,
Ottobeuren, Amorbach etc. erinnert!

Auch die gewaltige Fülle von Kunstfertig-
keit, welche auf die Grabkreuze rings um die
Dorfkirchen in Oberbayern und Tirol verwen-
det ist, und welche diese Friedhöfe zu wahren
Schulen der Kunstschmiedearbeit macht, sei nur
beiläufig erwähnt.

Wenn wir die Anwendung der Kunstschmiede-
arbeit zu den Geräthen des Gottesdienstes stu-
diren wollen, so müssen wir dies in einem
Lande thun, wo die Kirchen noch in ihren alten
Ausstattungen prangen und verhältnifsmäfsig
wenig von dem alten Besitz durch Bildersturm
oder Neuerungssucht verloren haben: wie bei-
spielsweise in Belgien, manchen Städten des
Niederrheins und Westfalens. Eine Eigenthüm-
lichkeit der belgischen Kirchen sind die kunst-
vollen schmiedeeisernen Wandarme, welche die
schweren Deckel der Taufbecken tragen. Einer
der schönsten derselben, derjenige in der Peters-
kirche in Löwen, genofs von Alters her eines
solchen Rufes, dafs man ihn als eine Arbeit des
Löwener Malers Quintin Messys ansah. Neuer-
dings ist die Annahme schon durch die Zeit sei-
ner Entstehung, nach 1505, widerlegt worden, zu
welcher Zeit der bekannte Maler seine ursprüng-
liche Beschäftigung am Ambos längst aufge-
geben hatte; als Meister des Werkes ist ein Ver-
wandter, vielleicht ein Bruder des Quintin, Na-
mens Jobst Messys, nachgewiesen. Schöne Bei-
spiele dieser schmiedeeisernen Ausleger finden
sich noch in der Frauenkirche zu Hai in Bel-
gien und in der Columbakirche zu Köln. (Die
drei genannten abgebildet in Gailhabaud »Z'ar-
chiteclure du V au XVII siede et hs arts qui en
dipendenh, t. gme.J Auch die Aufhängung der
Mefsglocke im Chor gab Gelegenheit zu reich-
verzierten schmiedeeisernen Gehäusen; auch hier-
für liefern belgische Kirchen hübsche Beispiele.
Von eigentlichem Mobiliar in Schmiedeeisen
sind die tragbaren Evangelienpulte zu nennen:
äufserst praktische, zum Zusammenklappen ein-
gerichtete Eisengestelle, deren oberen Zargen
durch Lederriemen oder Stofifflächen verbunden
sind, die den Mefsbüchern zur Auflage dienen.
Die knappe, auf besondere Leichtigkeit berech-
nete Form gestattete meist keine reichere orna-

mentale Ausbildung; doch pflegte die untere
dem Buch als Stütze dienende Leiste in hübsch
durchbrochener Schmiedearbeit ausgeführt zu
sein. Das älteste Beispiel, dem XIII. Jahrb.. an-
gehörig, aus der Kathedrale von Narbonne, führt
Viollet-le-Duc in seinem i>Dict. du Mobiliem
an; andere Beispiele finden sich im Cluny-
Museum, in der Kirche von Tournay, in Lüttich
und anderwärts (s. Gailhabaud 1. c).

Weitaus die häufigste Verwendung fand aber
das Schmiedeeisen bei denjenigen Geräthen,
welche zum Tragen von Lichtern und Lampen
bestimmt waren, sowohl in den verschiedenen
Formen der Standleuchter, als auch der hängen-
den Lichterkronen. Von der ersten Art ist eine
der grofsten Arbeiten das Lichtergerüst, welches
sich im Chor des Kölner Domes neben dem
Kreuzaltare befindet (abgebildet U. A. bei Gailha-
baud 1. c. pl. 49). Es stellt ein gothisches, reich
polychromirtes und vergoldetes Gitterwerk dar,
welches auf einem in die Kapellenöffnung ein-
gespannten Holzbalken ruht. An fünf von den
dreizehn Gitterstäben sind Ringe zur Aufnahme
grofser Wachskerzen angebracht; Wappen der
Zunft der Gewandschneider schmücken die an-
dern Pfosten. Die Gesammtform und die Orna-
mentirung des Werkes verräth die reinen Formen
der rheinischen Gothik des XIV. Jahrh.

Eine Reihe schöner, geschmiedeter Halter
für die Osterkerze und für Todtenkerzen liefert
uns ebenfalls Köln und seine Nachbarschaft.
Erwähnt seien hier nur die Todtenleuchter aus
St. Gereon, St. Columba, dem Dom von Neufs
u. A. Bemerkenswerth bei diesen Arbeiten ist,
dafs sie aus einem in reiche Verzierungen en-
digenden Stamm bestehen, der, in einen Stein-
sockel eingelassen, aufser den Ringen für die
Kerze noch einen kleinen Arm zum Anhängen
des Weihkessels und ein in Blech getriebenes
Schild trägt, auf welchem das Wappen des-
jenigen gemalt zu sein pflegte, bei dessen Exe-
quien der Leuchter benutzt wurde. Die gröfste
Zurüstung zu gleichem Zwecke möchte ein
schmiedeeisernes Tabernakel darstellen, aus der
Kirche zu Nonnburg bei Salzburg stammend,
das freilich nur noch in Fragmenten erhalten
ist, von dem jedoch Gailhabaud (1. c. pl. 104)
eine restaurirte Ansicht giebt. Es ist ein auf
sechs dünnen Säulchen ruhendes, im Grundrifs
zweiquadratiges Bauwerk, das mit hohem Spitz-
dach in sechs reich verzierte Giebel geöffnet,
den Katafalk überbaut, und auf dem First wie
 
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