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1899.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
100
Dieser kirchliche Kunstzweig, dessen prak-
. tische Bedeutung auch durch die starke Nach-
frage nach seinen Erzeugnissen bestätigt wird,
bedurfte daher der Reform sowohl hinsichtlich
des Inhaltes, wie der Form der Darstellungen.
Der Fabrikant Julius Gunst in Bielefeld hat sich
die Lösung dieser Aufgabe angelegen sein lassen,
indem er sich die Mitwirkung des Zeichners
Otto Mengelberg in Driebergen bei Utrecht zu
sichern wufste. Seiner ungemein geübten und
geschickten Hand, welche über die mittelalter-
lichen Formen, die figuralen wie ornamentalen,
mit vollkommener Sicherheit und Freiheit ver-
fügt, sind die fünf Garnituren zu danken,
die Gunst nunmehr als S e r i e I auf den Markt
zu bringen vermag, und von denen die wich-
tigeren Stücke hier in photographischen Nach-
bildungen der Gewebe vorgelegt werden.
Jede Garnitur repräsentiert eine eigene
Stilart, oder denselben Stil in einfacherer, bezw.
reicherer Durchführung, und besteht in K o r p o -
rale, Purifikatorium d. h. Kelchtüchlein,
und Palla. Das Wappenschildchen mit den
drei Kreisen, welches auf jedem Stück wieder-
kehrt, ist Symbol und Marke zugleich.
Das romanische Korporale (Fig. 1)
stellt die sitzende Gottesmutter dar als die Ver-
mittlerin der sieben Gaben des hl. Geistes, von
denen eine als Taube ihre Brust schmückt, die
sechs anderen ihr zufliegen, nach dem Vorbilde
des bekannten Fensters von Chartres. Ein
Fries von acht durch Ornamente geschiedenen
Lämmern, die auch sinnbildlich gedeutet werden
können, umkreist das Medaillon, und streng
stilisirtes üppiges Rankenwerk füllt die Zwickel.
— Das dazu gehörige Purifikatorium (Fig. 1 a)
macht ein grofses reich stilisirtes Kreuz zum
Mittelpunkt eines auch aus einem Thierfriese
bestehenden Ovals, und auf der Palla (Fig. lb)
sind ähnliche Motive zu einer quadratischen
Kreuzform vereinigt. Die durchaus korrekte
spätromanische Musterung, bei harmonischer
Vertheilung von Grund und Zeichnung, verdient
um so gröfsere Anerkennung als die der Webe-
kunst von Alters her geläufige symmetrische
Anordnung, d. h. die absolute Identität von
rechts und links, welche die Kosten der Her-
stellung erheblich vermindert, dem Zeichner
besondere Schwierigkeiten bietet.
Das frühgothische Korporale (Fig. 2)
zeigt in dem Mittelquadrat, dem Neuntel, auf
welches es durch das viermalige Zusammenlegen
reduzirt wird, das Monogramm Jesus in vortrefflich
gezeichneten Majuskeln, und die aus den Ecken
aufschiefsenden wie an die Seiten sich anschlie-
senden Blattranken vervollständigen dieses ge-
bräuchlichste und verständlichste aller Heils-
zeichen zu einem den Grund in sehr befriedi-
gender Weise ausfüllenden und belebenden Bilde.
Das Mittelquadrat allein dient alsPalla (Fig.pa);
mit den Eckenzweigen der herzförmigen Blätter
als Purifikatorium, so dafs also auch hier die
Technik für die Verwohlfeilung der ganzen
Garnitur in geschickter Weise ausgenutzt wird.
Die beiden spätgothischen Granat-
apfelmusterungen (Fig. 3 und 4), die nicht
abgepafst sind, können zu Korporalien, Purifi-
katorien und Pallen zerschnitten, wie zu Altar-
tüchern verwendet werden, ebenso einfache wie
wirkungsvolle Gewebe, welche mit farbigem
Einschufs von Leinen oder Seide versehen, auch
sehr passende Paramentenfutter abgeben würden.
Das spätgothische Korporale (Fig. 5)
besteht als das Produkt des Zusammenlegever-
fahrens aus 9 Quadraten, von denen das mitt-
lere durch das von der halben Mandorla um-
gebene Brustbild des Heilandes gebildet wird.
Als Hoherpriester ist er in der Kasel mit dem
Kelche in der Hand dargestellt, der hierdurch
die Schlufsworte der Konsekration seine Er-
klärung findet. Dekorative Ranken, mit und
ohne Minuskelmonogramme, umgeben dieses
Brustbild wie mit einem breiten feierlichen
Kranze, der sich sehr anmuthig über den Grund
vertheilt. — Das Brustbild für sich allein
empfiehlt sich sofort als Palla, und die aus
Monogrammen und Zweigen zusammengesetzten
drei Quadrate bedurften nur schmaler Streifen-
ansätze, um sich als Purifikatorien zu eignen, so
dafs auch bei dieser Garnitur wiederum die
Einfachheit der Herstellung zur Einheitlichkeit
der Wirkung den Weg gebahnt hat.
Das spätgothische Korporale mit der
Darstellung der Verkündigung (Fig. 6) bezeich-
net den Glanzpunkt der ganzen Serie in Zeich-
nung und Technik. Ganz im Geiste der flämi-
schen Meister und doch durchaus selbstständig
und eigenartig ist das Medaillon gezeichnet,
welches ein Kranz von Weinlaub umgibt, in
überaus geschickter Abwechselung von Grund
und Muster, durch die kräftige Inschrift vor-
züglich eingefafst. — Das dazu gehörige Puri-
fikatorium (Fig. 6 a) stellt gleichfalls in
Medaillonform einen von ebensolchen Wein-
ranken umfangenen Springbrunnen dar, dessen
sieben Röhren die Heilswasser entströmen,
1899.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
100
Dieser kirchliche Kunstzweig, dessen prak-
. tische Bedeutung auch durch die starke Nach-
frage nach seinen Erzeugnissen bestätigt wird,
bedurfte daher der Reform sowohl hinsichtlich
des Inhaltes, wie der Form der Darstellungen.
Der Fabrikant Julius Gunst in Bielefeld hat sich
die Lösung dieser Aufgabe angelegen sein lassen,
indem er sich die Mitwirkung des Zeichners
Otto Mengelberg in Driebergen bei Utrecht zu
sichern wufste. Seiner ungemein geübten und
geschickten Hand, welche über die mittelalter-
lichen Formen, die figuralen wie ornamentalen,
mit vollkommener Sicherheit und Freiheit ver-
fügt, sind die fünf Garnituren zu danken,
die Gunst nunmehr als S e r i e I auf den Markt
zu bringen vermag, und von denen die wich-
tigeren Stücke hier in photographischen Nach-
bildungen der Gewebe vorgelegt werden.
Jede Garnitur repräsentiert eine eigene
Stilart, oder denselben Stil in einfacherer, bezw.
reicherer Durchführung, und besteht in K o r p o -
rale, Purifikatorium d. h. Kelchtüchlein,
und Palla. Das Wappenschildchen mit den
drei Kreisen, welches auf jedem Stück wieder-
kehrt, ist Symbol und Marke zugleich.
Das romanische Korporale (Fig. 1)
stellt die sitzende Gottesmutter dar als die Ver-
mittlerin der sieben Gaben des hl. Geistes, von
denen eine als Taube ihre Brust schmückt, die
sechs anderen ihr zufliegen, nach dem Vorbilde
des bekannten Fensters von Chartres. Ein
Fries von acht durch Ornamente geschiedenen
Lämmern, die auch sinnbildlich gedeutet werden
können, umkreist das Medaillon, und streng
stilisirtes üppiges Rankenwerk füllt die Zwickel.
— Das dazu gehörige Purifikatorium (Fig. 1 a)
macht ein grofses reich stilisirtes Kreuz zum
Mittelpunkt eines auch aus einem Thierfriese
bestehenden Ovals, und auf der Palla (Fig. lb)
sind ähnliche Motive zu einer quadratischen
Kreuzform vereinigt. Die durchaus korrekte
spätromanische Musterung, bei harmonischer
Vertheilung von Grund und Zeichnung, verdient
um so gröfsere Anerkennung als die der Webe-
kunst von Alters her geläufige symmetrische
Anordnung, d. h. die absolute Identität von
rechts und links, welche die Kosten der Her-
stellung erheblich vermindert, dem Zeichner
besondere Schwierigkeiten bietet.
Das frühgothische Korporale (Fig. 2)
zeigt in dem Mittelquadrat, dem Neuntel, auf
welches es durch das viermalige Zusammenlegen
reduzirt wird, das Monogramm Jesus in vortrefflich
gezeichneten Majuskeln, und die aus den Ecken
aufschiefsenden wie an die Seiten sich anschlie-
senden Blattranken vervollständigen dieses ge-
bräuchlichste und verständlichste aller Heils-
zeichen zu einem den Grund in sehr befriedi-
gender Weise ausfüllenden und belebenden Bilde.
Das Mittelquadrat allein dient alsPalla (Fig.pa);
mit den Eckenzweigen der herzförmigen Blätter
als Purifikatorium, so dafs also auch hier die
Technik für die Verwohlfeilung der ganzen
Garnitur in geschickter Weise ausgenutzt wird.
Die beiden spätgothischen Granat-
apfelmusterungen (Fig. 3 und 4), die nicht
abgepafst sind, können zu Korporalien, Purifi-
katorien und Pallen zerschnitten, wie zu Altar-
tüchern verwendet werden, ebenso einfache wie
wirkungsvolle Gewebe, welche mit farbigem
Einschufs von Leinen oder Seide versehen, auch
sehr passende Paramentenfutter abgeben würden.
Das spätgothische Korporale (Fig. 5)
besteht als das Produkt des Zusammenlegever-
fahrens aus 9 Quadraten, von denen das mitt-
lere durch das von der halben Mandorla um-
gebene Brustbild des Heilandes gebildet wird.
Als Hoherpriester ist er in der Kasel mit dem
Kelche in der Hand dargestellt, der hierdurch
die Schlufsworte der Konsekration seine Er-
klärung findet. Dekorative Ranken, mit und
ohne Minuskelmonogramme, umgeben dieses
Brustbild wie mit einem breiten feierlichen
Kranze, der sich sehr anmuthig über den Grund
vertheilt. — Das Brustbild für sich allein
empfiehlt sich sofort als Palla, und die aus
Monogrammen und Zweigen zusammengesetzten
drei Quadrate bedurften nur schmaler Streifen-
ansätze, um sich als Purifikatorien zu eignen, so
dafs auch bei dieser Garnitur wiederum die
Einfachheit der Herstellung zur Einheitlichkeit
der Wirkung den Weg gebahnt hat.
Das spätgothische Korporale mit der
Darstellung der Verkündigung (Fig. 6) bezeich-
net den Glanzpunkt der ganzen Serie in Zeich-
nung und Technik. Ganz im Geiste der flämi-
schen Meister und doch durchaus selbstständig
und eigenartig ist das Medaillon gezeichnet,
welches ein Kranz von Weinlaub umgibt, in
überaus geschickter Abwechselung von Grund
und Muster, durch die kräftige Inschrift vor-
züglich eingefafst. — Das dazu gehörige Puri-
fikatorium (Fig. 6 a) stellt gleichfalls in
Medaillonform einen von ebensolchen Wein-
ranken umfangenen Springbrunnen dar, dessen
sieben Röhren die Heilswasser entströmen,