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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Schnütgen, Alexander: Neue Leinendamaste für den Altargebrauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0072

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Abhandlungen.

Neue Leinendamaste für den Altar-

gebrauch.

Mit 10 Abbildungen.

■ju res Leinen soll, gemäfs den
lilurgischenBestimmungen,
für die Gewebe verwendet
werden, welche in die allernächsten
Beziehungen zum hl. Opfer treten,
also für die Altartücher, Korporalien,
Purifikatorien und Pallen. Von diesen
haben im Mittelalter vornehmlich die
Altartücher, aber auch diese mehr aus-
nahmsweise, reicheren Schmuck durch
die Stickerei erhalten, die den drei anderen
Tüchlein zumeist vorenthalten blieb, auch dem
vornehmsten derselben, dem Korporale, für
dessen Mitte aus leicht begreiflichen Gründen
die Rubrik des Missale jedwede Verzierung
untersagt, so dafs diese höchstens in einer
schmalen Randeinfassung bestehen darf. Eine
solche ist aber auch schon im XV. Jahrh. nach-
weisbar, um freilich in den folgenden Jahr-
hunderten, in denen die Spitzen eintraten, zu
deren Gunsten fast vollständig zu verschwinden.
Ihre Auferstehung aber hat sie vor einem halben
Jahrhundert gefeiert, als mit dem Wiederer-
wachen der Gothik auch die Nadelmalerei der
kirchlichen Paramente sich bemächtigte; und
gerade die Leinenstickerei, als die einfachste
dieser Handarbeiten fand am schnellsten ver-
ständige Pflege. Zeichner, die sich bald mit
den mittelalterlichen, namentlich mit den spät-
gothischen Formen bekannt gemacht hatten,
versorgten die Stickerinnen, zumeist Kloster-
frauen, mit guten Vorlagen, und wohl in keinem
Zweige der kirchlichen Handarbeiten wurde
Besseres geleistet, als in der Leinenstickerei.
Ueber den engen Bereich geometrischer und
vegetabilischer Musterungen kam sie freilich
selten hinaus, und wenn sie sich zu figürlichen
Darstellungen verstieg, so vermochten nur die
geschicktesten Hände Befriedigendes zu leisten.
Inhaltlich blieben daher diese Verzierungen
immerhin dürftig, und da sie ausserdem grössere
Ausgaben erforderten, so lag es nahe, nach einer

mechanischen Verzierungsart zu suchen, die, mit
den liturgischen Anordnungen vereinbar, den ein-
zelnen Leinentüchlein einen angemessenen, ihre
Bestimmung andeutenden Schmuck zu verleihen
vermochte. Dafür empfahl sich die Damast-
bindung, welche schon das Mittelalter von der
Seide auf das Leinen übertrug, aber soweit
die spärlichen Ueberreste dieser Technik er-
kennen lassen, nur für kleine schematische
Musterungen, die nicht wesentlich über den
Gebildrahmen hinausreichen, sowie für orna-
mentale Verzierungen nach Art des Granat-
apfels. Der Renaissance und namentlich dem
Barock blieb es vorbehalten, diese Technik auf
grofse figürliche Darstellungen auszudehnen,
wie sie namentlich für Tischtücher, Servietten
u. dergl. begehrt wurden. Merkwürdigerweise
ist diese dem Profangebrauche so bereitwillig
entgegenkommende Technik nur wenig in den
Dienst des Altars getreten, und erst in unserem
Jahrhundert hat sich mit der Sorge für „die
Zierde des Hauses Gottes" in gröfserem Um-
fange das Bestreben geltend gemacht, die Damast-
bindung für den liturgischen Gebrauch zu ver-
wenden.

Da es dafür an alten Vorlagen gebrach,
so mufste versucht werden, im alten Geiste
Neues zu schaffen wie für den Inhalt so
für die Form. Diesen Versuchen kann leider
nicht nachgesagt werden, dafs sie besonders
glücklich gewesen seien. Bei der aufserordent-
lich geringen Anzahl der Künstler, die solchen
Aufgaben gewachsen waren, kann es nicht auf-
fallen, dafs fast alle bisherigen Leistungen an
mancherlei Mängeln leiden, die theils in den
ungeeigneten, zumeist ganz oberflächlichen, ver-
wässerten Darstellungen, theilsinden inkorrekten,
ungeschickten Formen bestehen. Naturalistische
Trauben und Aehren mit eingestreuten Kreuzen
und sonstigen Symbolen reichen da nicht aus;
auch die Nachbildungen alter Gemälde nicht,
mögen diese noch so berühmt sein. Die Ueber-
tragung des Abendmahles von Leonardo da
Vinci und noch älteren italienischen Malern auf
die Leinentextur mag ein technisches Meisterstück
sein, stilistisch ist sie eine grofse Verirrung.
 
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