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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Bertram, Adolf: Zur Kritik der ältesten Nachrichten über den Dombau zu Hildesheim, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0138

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209

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 7.

210

Zur Kritik der ältesten Nachrichten über den Dombau zu Hildesheim.

(Mit 11 Abbildungen.)

IV.
Von Bischof Hezilo's Dombau.

(Mit 7 Abbildungen.)
zelin's Nachfolger, derBischof Hezilo,
konnte, so unternehmend er sonst
sich zeigte, sich doch nicht ent-
schliefsen, den durch Mifserfolge
gehemmten und unterbrochenen Bau seines Vor-
gängers zu Ende zu führen. Er griff deshalb
auf den Grundrifs des kleineren Altfrid-Domes
zurück, bei dessen Einhaltung auch der Neu-
bau der Klostergebäude des Domstifts auf die
alte Grundlage zurückkehrte -und dadurch sich
erheblich leichter und billiger gestaltete. Am
5. Mai 10G1 konnte der Bischof den Dom ein-
weihen, bei dessen Errichtung der aus Schwaben
gebürtige Hildesheimer Dompropst Benno (1067
zum Bischof von Osnabrück befördert) die
wesentlichsten Dienste geleistet hat; er wird
mit Recht bezeichnet als „Hezilo's langjähriger
Bauintendant".1)

Osttheil und Westtheil des neuen Domes
Hezilo's geben uns Räthsel auf. Verweilen wir
zunächst bei dem östlichen Theile (Krypta und
Chor), bei dessen Bau noch Reste des Altfrid-
schen Domes benutzt werden konnten.2)

Wie oben dargelegt ist, gehört das west-
liche Quadrat der Krypta (unter der Vierung
gelegen) noch dem Altfrid'schen Bauwerke an,
ist also der älteste Theil. Der jüngste
Theil ist die Apsis; ihr Material und dessen
Bearbeitung ist verschieden vom übrigen Bau-
werk; ihr Sockelgesims, sowie die schönen halb-
säulenförmigen Lisenen mit Würfelkapitäl und
der abgetreppte Rundbogenfries3) weisen etwa
auf die Bauzeit unserer Godehardi-Kirche, auf
die erste Hälfte des XII. Jahrh. hin. Nun be-
richtet die Domchronik, dafs Bischof Berthold
(1119 — 1130) „am Haupte des Heiligthums
unseres Domes ein Werk von eleganter Bauart
errichtete".4) Das ist eben das Rundhaupt des
Domes, die Apsis. — Dafs dem Hezilo-Dome eine
Apsis überhaupt gefehlt haben wird, bestätigt
die Ausgrabung von 1896; am Ende des Chor-
quadrats ward eine gerade Fundamentmauer von

1) »Korrespondenzblalt des Gesammlvereins der
deutschen Geschichts- und Alterthumsvereinec 47, 110.

2) Fundatio S. 14.
s) Abbildung 1 in Artikel I.
*) »Mon. G. Hist. SS.« VII, 855.

1 m Stärke aufgedeckt; darin werden wir einen
geradlinigen Abschlufs des Hezilo-Baues zu sehen
haben. Dafs auch Hezilo's Moritz-Kirche (vor
Hildesheim) den geradlinigen Chorschlufs hat,
ist als Parallele bereits früher hervorgehoben.6)
Nachdem die Vierung als ältester, die Apsis
als jüngster Chortheil festgelegt ist, fragt es
sich: ist das Chorquadrat ein Werk Hezilo's?
oder hat vielmehr Altfrids Domchor (872) schon
aus Vierung, Chorvorlage und Concha be-
standen, so dafs Hezilo ihn durch Abschneiden
der Apsis verkleinerte? Letztere Annahme halten
wir für unwahrscheinlich.

Unter Bezugnahme auf die Fundatio wird
uns folgender Einwand gemacht: nachdem man
„in" Azelin's grofsem Dombau „eine schwere
Lockerung der Sitten durch Azelin erkannt1'
habe, habe Hezilo „Strenge gegen das entartete
Domkapitel" geübt und, den Dom auf die Alt-
frid'schen Fundamente zurückverlegend, durch
Abschneiden d?r Altfrid'schen Apsis ein „über-
flüssiges" Bauglied einem höheren Principe ge-
opfert, unbekümmert um die „Bequemlichkeit"
dieser „entarteten" Domherren. Hezilo's bau-
liche und bischöfliche Thätigkeit wird charak-
terisirt als kirchlich-ascetische Reaktion gegen
das sittenschädigende Episkopat und Bauunter-
nehmen Azelins, und daraus werden Schlüsse
gezogen auf die Gestaltung des Domchores.

Diese Auffassung ist in allen Theilen fehl-
sam. Was von der „Entartung" zu halten, ist
bereits besprochen. Wie steht es nun um
Hezilo's Reaktion gegen die „Entarteten"? Die
Reaktion hätte in Wiederherstellung der Strenge
der alten vita communis ihren Kern haben
müssen. Nun trifft aber gerade Hezilo der
bittere Vorwurf, dafs er für Einführung strengerer
Zucht und für Restauration der ascetischen Rich-
tung der vita regularis nichts gethan habe, viel-
mehr in dieser Beziehung alles habe gehen
lassen, bis er am Ende seines Lebens dieses
Gehenlassen selbst bitter bereute.6) Hezilo ist
also keineswegs der Reaktionär im vorbezeich-
neten Sinne. Ein solches Epitheton stimmt
auch nicht zu dem Lebensbilde des (übri-
gens geistig sehr regsamen) Mannes. Hezilo

5) »Domgruft« S. 22 f.

6) Chron. Hild. in »Mon. Germ. Hist. SS.« VII,
854.
 
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