Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

DOI Artikel:
Hager, Georg: Mittelalterliche Kirchhofkapellen in Altbayern
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0110

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abhandlungen.

Mittelalterliche Kirchhofkapellen in
Altbayern.

(Mit 2 Abbildungen.)

fie meisten altbayerischen
Dorfkirchen, mit denen
ein Friedhof verbunden
ist, zeigen in der Portal-
vorhalle in einer vergitter-
ten Nische oder in einem
etwas gröfseren Ausbaue
eine Reihe von Todten-
schädeln und einige andere Todtengebeine. Diese
Ueberreste entstammen Gräbern des Friedhofes,
welche behufs Beisetzung anderer Leichen wieder
geöffnet werden mufsten. Häufig hat man auf
die Schädel den Namen der Verstorbenen und
das Todesjahr gemalt. Ein Bild der armen
Seelen im Fegfeuer vervollständigt diesen Hin-
weis auf das Jenseits am Eingang der Kirche.
Das Volk nennt solche Aufbewahrungsplätze
ausgegrabener Gebeine Seelenkerker oder auch
Todtenkerker.') Oft werden die Gebeine in
einer eigenen, isolirt stehenden Friedhofkapelle
gesammelt — Seelenkapelle, auch Seelenhaus
genannt. Diese Kapelle dient aufserdem zur
Verwahrung der Todtenbahre, der Todten-
leuchter etc. Die Seelenkapellen sind gewöhn-
lich einfach rechteckig. In der gothischen
Periode haben sie im Osten bisweilen drei-
seitigen Schlufs, so z. B. in Maria Thalheim
im Bezirksamte Erding. Einen eigenen Typus
solcher Anlagen bezeichnen jene Friedhof-
kapellen, welche mit einer Krypta versehen
sind. Sie finden sich in Altbayern nur bei be-
deutenderen Kirchen oder an gröfseren Orten.
Am bekanntesten sind von Bauwerken dieser
Gattung die Rundkapellen geworden. Die Be-

l) Vergl. Schmeller-Frommann »Bayer. Wör-
terbuch« I, 847. Grimm »Deutsches Wörterbuch«
V, 5G7. In der Stiftungsurkunde der Samstagandacht
in Moosach im Bezirksamte Ebersberg vom Jahre 1496
heifst es, der Pfarrer soll „bey oder vor dem Karck-
her lesen ain vesper vmb die Todten mit Colecten
und versickln." In Pastetten im Bezirksamte Erding
wird 1651 erwähnt „im eingang der khirchen der
Tho tte n-kh erkher."May er-West erm ay er »Erz
bisthum München Freising« III 270, 126.

Zeichnung „Karner" (carnarium=Beinhaus) wird
in der mittelalterlichen Kunstarchäologie vor-
zugsweise auf solche runde Friedhofkapellen
mit Krypten angewendet.2) Indessen kommt
der Name „Karner"8) in alter Zeit den mit
einer Krypta versehenen Friedhofkapellen über-
haupt zu, ohne Beschränkung auf die Rund-
bauten. Im engeren Sinne gebührt die Be-
zeichnung „Karner" nur dem unteren Theil der
Friedhofkapelle, der Gruft; der obere Theil,
die eigentliche Kapelle, wird „Kapelle auf dem
Karner" genannt. So heifst es z. B. von der
1428 begonnenen Allerheiligenkapelle (jetzt
Michaelskapelle) auf dem Quintins-Kirchhofe in
Mainz in einer Kirchenordnung von 1585:
„Und wenn man Salve singt (am Allerheiligen-
abend), läutet man unterdefs in der Kapelle
auf dem Körner auch ein Salve."4)

Von runden altbayerischen Friedhofkapellen
mit Krypta sind jene in Perschen bei Nabburg
in der Oberpfalz, in Mühldorf am Inn und in
Laufen in der kunstgeschichtlichen Literatur
mehrfach besprochen. Diesen reiht sich die
romanische Rundkapelle im Markte Roding in
der Oberpfalz an.B) Sie liegt an der Nordost-
seite der Pfarrkirche auf dem ehemaligen, 1826
aufgelassenen Friedhofe. Der Bau besteht aus
einer Doppelkapelle. Die obere Kapelle ist
vom Friedhof aus an ihrer Westseite mittels
einer zweiten, später angebauten rechteckigen
Kapelle zugänglich. Der Eingang der unteren,
die Krypta oder Gruft bildenden Kapelle aber
liegt an der in der Tiefe vorbeiziehenden
Strafse. Die obere Kapelle hat im Osten eine
Apsis, welche innen halbrund ist, aufsen aber
nur segmentförmig vortritt. In der Apsis läuft
innen ein einfaches Schmiegegesims. Auf dem
Dachboden eines anstofsenden Hauses sieht

*) H. Otte »Handbuch der mittelalterlichen Kunst-
archäologie« I5, 24.

3) Zu dem Namen Karner, Kerner, Kernder vergl.
Grimm a. a. O. II, 607; V, 605—606.

4) H. S(chrohe) „Die Michaels-Kapellen auf
dem Emmerams- und Quintins-Kirchhofe". »Mainzer
Journal 1897« Nr. 146. Zweites Blatt.

6) R. Lettl »Chronik des Marktes Roding« (1894)
S. 88 ff.
 
Annotationen