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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Beissel, Stephan: Die Kirche U L. Frau zu Trier
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0153

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231

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

232

Die Kirche U L. Frau zu Trier.

(Mit Abbildungen.)

enige deutsche Bauten der Frühgothik
sind mehr besprochen, eingehender
behandelt worden, als die Trierer
Liebfrauenkirche; von Quast, Roisin,
Reichensperger, Schmidt und Bock haben
gröfsere Studien über dieselbe veröffentlicht.
Trotzdem läfst sich noch manches Neue über
sie sagen, lassen sich bis dahin unerörterte
Fragen aufwerfen und theilweise beantworten.
Unsere erste Frage lautet: Warum ist ihr
Grundrifs der einer Centralanlage?
Das christliche Alterthum wandte Centralan-
lagen an für Grabdenkmäler, Taufkirchen und
Palastkapellen, dann aber auch zuweilen da,
wo eine christliche Kirche auf altern Grund-
lagen errichtet ward. S. Stefano Rotondo zu
Rom war ehedem eine Markthalle; St. Gereon
zu Köln und S. Costanza zu Rom waren
Grabkirchen, S. Lorenzo zu Mailand wird mit
S. Vitale zu Ravenna als reicher entwickelte
Palastkapelle zu bezeichnen sein. Viele jener
alten Centralbauten verloren im Laufe der Zeit
ihre ursprüngliche Bestimmung, selbst ihre alten
Namen. Wie man zu Metz dem alten Bap-
tisterium beim Dome, das wohl dem hl. Johannes
d.T. gewidmet war, den neuen Titel Notre Dame
la ronde gab, so wird „auch die Marienkirche
neben dem Dome des hl. Petrus im Trierer
Thale", von der Bischof Poppo im Beginne
des XL Jahrh. redet,') ehedem eine Taufkirche
gewesen sein. Dafür spricht die Lage beim
Dome und der Platz, welcher von allen Seiten
so begrenzt war, dafs er eine Rundkirche ge-
tragen haben mufs. Eine Erinnerung an den
alten Taufbrunnen der Kirche liegt darin, dafs
sie irri Mittelalter Pfarrkirche des Domes war,
in der die Domgeistlichen am Grünen Donnerstag
die Osterkommunion empfingen und Kanoniker
begraben wurden. Der Dechant desStiftes war der
Obere ihrer zwölf Praebendaten. Einer der
wichtigsten, wahrscheinlich der älteste ihrer
Altäre war dem Täufer geweiht. Auf ihn

x) Gesta ed.Wyttenbach 1'Appendix p. 59. Ueber
jene Marienkirche zu Metz vgl. den Trierer »Jahres-
bericht« für 1872 S. 28 f. Alte Rundkapellen besafs die
Trierer Diözese zu Kobern, Mettlachund Vianden. Auch
zu Bonn war die alte Martinskapelle ein Centralbau. Viele
auf die ältere Marienkirche neben dem Trierer Dome
bezügliche Urkunden bieten die Sammlungen von
Günther, Beyer und das »Urkundenbuch der mittel-
rheinischen Territorien« von El t est er und Goerz.

legte Kuno, der Kaplan des Erzbischofes Theo-
dorich, vor 1227 die Urkunde über eine zum
Besten dieser Kirche gemachte Schenkung nieder,
welche der Erzbischot später, wie wir sehen
werden, bestätigte.

Wann ist auf dem Platz, vielleicht theil-
weise auf den Fundamenten des alten Bap-
tisterium und der früheren Marienkirche die
jetzige Liebfrauenkirche aufgeführt
worden? Die in vielen Werken wiederholte
Antwort lautet: 1227 bis kurz nach 1243, also
etwa in 16 bis 20 Jahren. — Aber was sagen die
Quellen? Im Jahre 1243 theilt uns Erzbischof
Konrad von Hostaden, der Erbauer des Kölner
Domes, in einer zu Andernach erlassenen Ur-
kunde mit, die alte Marienkirche beim Trierer
Dom sei vor übergrofsem Alter zusammenge-
stürzt, und man habe begonnen, sie neu zu
erbauen. Der römische Stuhl habe allen, welche
zu den Baukosten einen Beitrag böten, Ablafs
verliehen. Er thue dasselbe. Wenn die Al-
mosensammler mit den Reliquien dieser Kirche
an einen Ort seiner Diözese kämen, solle man
die Glocken läuten, die Arbeit ruhen lassen,
eine hl. Messe feiern und in einer Predigt um
einen Geldbeitrag bitten.2)

2) Diese Urkundehaben Wyt tenbachund Müller
im Anhange zu ihrem I. Bande der »Gesta« S. 59
aus dem Codex 1251 der Trierer Stadtbibliothek
herausgegeben. Sie ist dann auch im »Urkundenbuch
zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien« von
El fester und Goerz III, 580 abgedruckt. Schnaase
bemerkt in seiner »Geschichte der bildenden Künste«,
2. Aufl., III, 366, Anm. „Der Erzbischof von Köln
bewilligt in derselben (Urkunde) die Sammlung von
Beiträgen für die ecclesia beatae Mariae Virginis
gloriosae m aj o r is in Treveris, quae Caput, mater
etmagistra est omnium ecclesiarum provinciae
Trevirensis. In dieser Weise konnte er aber nur
von dem Dome selbst reden, den er, wenn auch nicht
ganz genau, aber dem vorherrschenden Gebrauche
entsprechend, als Kirche der heiligen Jungfrau benennt."

Es ist eine merkwürdige Unterstellung, anzunehmen,
dais der Kölner Erzbischof nicht gewufst habe, der
Trierer Dom sei dem hl. Petrus geweiht. Von einem
„vorherrschenden Gebrauche" aber, dem entsprechend
man im Mittelalter die Gotteshäuser ununterschieden
„als Kirchen der heiligen Jungfrau" benannt habe,
ist uns nichts bekannt. Der Anfang der Urkunde ist
freilich nicht sehr klar abgefafst, mufs aber offenbar
in folgender Weise übersetzt werden:

„Da die Kirche der glorreichen und seligen Jung-
frau Maria, die zur Domkirche (major ecclesia), welche
Haupt, Mutter und Lehrerin aller Kirchen der Diözese
 
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