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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Schnütgen, Alexander: Die silbervergoldete hochgothische Monstranz des Kölner Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0152

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1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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angebracht erschiene, nur mit einem emaillirten
Dreiblatt gefüllt sind. Ihre Ecken werden mit
denen der Horizontale durch eine tiefe luftige
Strebe verbunden, deren reich entwickeltes
System den ganzen Aufbau charakterisirt, ihm
Perspektive und Leben verleihend, an dieser
Stelle zugleich die Kapsel dem ganzen Organis-
mus eingliedernd, wozu auch die bekrönenden
musizirenden Engelfiguren mitwirken, auf der
Rückseite zum Ausheben eingerichtet, um das
OefTnen der Kapsel zu ermöglichen. Diese be-
steht in einem flachliegenden Bergkrystallcylinder
von 10 cm Durchmesser, der oben und unten
mit Metall umkleidet, rechts und links nur mit
einem Reifen umgeben ist als der Ausgangs-
linie der Schnecke, aus welcher beiderseits der
mittlere Strebepfeiler aufschiefst, der Vermittler
zwischen dem Mittelbau und den Eckpfeilern,
diese nur wenig überragend, jenem, also dem
hochaufschiefsenden sechseckigen Mittelthurm
mit den beiden Flankirriesen erheblich unter-
geordnet, in dem ganzen Fialenbau ein ebenso
nothwendiges Glied, wie die der Vorderansicht
beigezeichneten (vom Original verschwundenen)
Seitenstreben. Um diesen ungemein reichen,
herrlichen Organismus recht würdigen zu können,
bedarf es eines Blickes auf das Bild der Ueber-
eck- und Seitenstellung, bei dem aber nicht
aufser Acht gelassen werden darf, dafs ihm die
Seitenstrebe fehlt.

In Bezug auf den eigentlichen Abschlufs soll
nicht unerwähnt bleiben, dafs ihm eine gewisse
Nüchternheit eignet, die wohl vornehmlich in
der Isolirtheit der drei Thürme, ihrem Mangel
an Verbindung, an Horizontalem, an Auskra-
gungen ihren Grund hat. Um wie viel weicher
und anmuthiger ist diese Aufgabe bei der grofsen
Ratinger Monstranz (von 1394) und bei der sehr
verwandten von Gerresheim gelöst, denen unsere
Monstranz im Uebrigen durch manche Einzel-
heiten nahesteht, namentlich durch die Engel-
figürchen und Wasserspeier, die freilich an
manchen hochgothischen Ostensorien des Rhein-
landes wiederkehren als bezeichnende Typen
der figuralen Plastik in der ersten Hälfte des
XV. Jahrh. In dieser Hinsicht fällt die unter
dem Baldachin stehende grofse Madonna, die
etwas breit gehalten, daher kurz gerathen ist,
einigermafsen aus der Rolle, was aber seine
Begründung finden mag in dem Bedürfnifs nach
Raumfüllung, auf welches die Haltung des auf

dem breiten Mantelzipfel getragenen Kindes,
wie der hohen Lilienkrone zurückzuführen sind.
Auch die allen gröfseren Fialen eigenthümliche
doppelte Kreuzblume begegnet an manchen
rheinischen Monstranzen der hochgothischen Pe-
riode. Auf diese Ursprungszeit, auf den Anfang
des XV. Jahrh., weist daher auch die vorliegende
hin, die, obgleich nicht direkt aus der Werkstatt
in die Schatzkammer des Kölner Domes ge-
langt, sondern erst vor einem halben Jahrhun-
dert aus dem Kunsthandel, dennoch ohne
Zweifel im Bereiche des kölnischen Kunst-
schaffens entstanden, vielleicht aus einer der ab-
gebrochenen kölnischen Pfarrkirchen dem anti-
quarischen Betriebe anheimgefallen ist.

Obwohl sehr bekannt, hat sie die verdiente
Beachtung bisher noch nicht gefunden, wenig-
stens nicht für die praktischen Zwecke der
Nachahmung, für welche sie sich gerade ihrer
mit Recht beliebteren Kapselform wegen ganz
besonders empfiehlt. Hierbei könnten mancherlei
Vereinfachungen vorgenommen werden, die aber
das System nicht berühren dürften, etwa mit
Ausnahme des die Kapsel bekrönenden Auf-
baues, dessen Ursprung vielleicht nicht klar
genug in die Erscheinung tritt und durch be-
stimmtere Unterbauten deutlicher markirt wer-
den könnte, im Interesse einer noch bestimm-
teren architektonischen Lösung. — Die Hand-
lichkeit der Monstranz würde durch das Weg-
bleiben des unteren Strebekranzes gewinnen,
wenn zugleich das Ueberleitungsglied zum
Schafte verstärkt würde, wie an dem sehr ähn-
lichen, wohl aus derselben Werkstatt stammen-
den Exemplare in der alten Abteikirche zu
Steinfeld, an dem die Verzierung nur in Eck-
streben und Füllungsrosetten besteht, im Uebri-
gen die Gestaltung eine viel flachere und dichtere
ist. Als interessante Variante unserer Monstranz
hat sie noch eine besondere Bedeutung, welche
ihre Veröffentlichung um so Wünschenswerther
macht, die gelegentlich hier erfolgen soll.

Wohl die erste Nachahmung, die unsere
Monstranz bisher gefunden hat, wird demnächst
ihren Weg nach Amerika nehmen, da Pastor
Dr. Hölscher in Buffalo sie durch seinen Lands-
mann, Hof-Goldschmied Osthues in Münster
für seine Kirche hat ausführen lassen. Diese
mehr wörtliche (wenn auch auf einige ornamentale
Details verzichtende) Uebertragung würde einer
freieren Behandlung keineswegs präjudiziren.

_______ Schnütgen.
 
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