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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Luthmer, Ferdinand: Die moderne Kunst und die Gothik
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Schnütgen, Alexander: Flandrische Figurenstickerei der frühesten Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0042

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51

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

52

Gebrauch, den Berlepsch, Pankok, Obrist u. A.
von den die Möbelthiiren überziehenden Metall-
beschlägen machen, ist ein ausgesprochen go-
thisches Motiv. In gleicher Richtung bewegen
sich dann die Versuche in schmiedeeisernem
Hausgeräth von Eckmann, von Berlepsch, Wil-
helm und Lind, Grofs, Ringer und Wenig, wenn
auch hierbei die Betonung der Konstruktion als
Formenmotiv selbstverständlicher ist; aber auch
die Zusammenfügung durch Nieten und Bänder
mufs hier in echt gothischem Sinne der Zier-
wirkung dienen.

Wir müssen es uns versagen, in der Auf-
findung solcher verwandtschaftlichen Züge weiter
zu gehen, zumal die Darlegung derselben ohne
Illustrationsmaterial nicht ganz leicht ist. Eins
aber müssen wir zum Schlüsse betonen: Wenn
wir für die häufig interessanten und fesselnden
Erscheinungen der neuesten dekorativen Kunst
im frühen Mittelalter nach Anregungen und
Vorbildern suchten, so lag uns dabei nichts
ferner, als die ersteren damit herabzusetzen, sie

etwa als Plagiate vergangener Kunstgedanken
bezeichnen zu wollen. Im Gegentheil kam es
uns darauf an, auf einen Vorgang in unserem
modernen Kunstleben aufmerksam zu machen,
für den in der Kunstgeschichte nicht eben viele
Beispiele aufzufinden sein dürften: das Wieder-
aufleben eines früheren Stiles in seinen tiefsten,
treibenden Gedanken, ohne wörtliche An-
lehnung an die Formensprache desselben. Als
die Italiener des XV. Jahrh., die französischen
Künstler am Ende des achtzehnten in den
Formenschatz der Antjke zurückgriffen, geschah
es mit der bewufsten Absicht antik-römisch
zu denken, zu bauen und zu meifseln. Wie
weit sie von ihrem Ziele entfernt blieben,
hat die Kunstgeschichte längst festgestellt,
indem sie die „Renaissance", den „Neo-
klassizismus" als selbständige Stilperiode klas-
sifizirt. Die Modernen wollen sicher nicht
gothisch sein, und sind es ihrem innersten
Wesen nach!

Frankfurt a. M. F. Luthmer.

Flandrische Figurenstickerei der frühesten Renaissance.

Mit Abbildung.

ie hier photographisch abgebildete
Standfigur, welche sich in der aus-
erlesenen Kunstsammlung des Herrn
Chevalier Meyer van den Bergh zu
Antwerpen befindet, zählt zu den besten Sticke-
reien der an glänzenden Erzeugnissen der Nadel-
malerei so reichen flandrischen Schulen aus der
ersten Hälfte des XVI. Jahrh. Sie stellt die hl.
Maria Magdalena vor, deren Kostüm diese Zeit
mit besonderer Sorgfalt zu behandeln pflegte, und
hat die ganz ungewöhnliche Höhe von SS'/a cm,
so dafs sie also für ein kirchliches Parament
nicht bestimmt gewesen sein kann, vielleicht
zur Ausstattung eines Antependiums gedient
hat. Sie ist ganz in Platt- und Lasurstich, also
in den vornehmsten Nadeltechniken ausgeführt
und trotz ihrer Gröfse bis in die kleinsten Einzel-
heiten mit aller Sorgfalt behandelt. Der grün-
liche und grüngelbliche Rasen, auf dem sie steht,
ist mit Blumen verziert, die im Ueberfangstich
eingesetzt sind; das Untergewand ist aus ganz
feinen, einzeln aufgehefteten Goldfäden gebildet,
und die Ueberfangstiche variiren vom helleren
Roth bis zum tiefen Braun für die Konturen.
Für den in breiter malerischer Drapirung herab-

fallenden bezw. aufgenommenen Mantel ist aus-
schliefslich der Plattstich verwendet und die
gelblichrothe Färbung mit den tiefrothen
Schatten verleiht ihm eine herrliche Wirkung.
Eine breite, aus Goldkordel, Lasur- und Rund-
bogenfries gebildete Borte säumt ringsum den
Mantel ein, gegen den das stellenweise hervor-
tretende bläuliche Futter wirkungsvoll kontrastirt.
Das oben an der Schleife, unten an der Quaste
kenntliche Cingulum hat grünlichen Ton und
aus den Aermelspitzen quillt das weifse Hemd
hervor. Das weifse Mieder ist durch ein Gold-
börtchen abgeschlossen, das zarte, ausdrucks-
volle Gesicht durch die reiche wulstartige Mütze
eingerahmt, deren Goldlasuren röthlich abgetönt
sind und deren breite Zipfel den malerischen
Effekt noch steigern. Die fein bewegte rechte
Hand hält zierlich den Deckel des von der
linken Hand kräftig gefafsten, ebenfalls ganz
lasurmäfsig behandelten, mit Palmetten verzier-
ten Salbgefäfses. Der etwas gedrungenen, vor-
nehm gehaltenen Figur scheint eine Zeichnung
von Quintin Massys bezw. einem seiner Schüler zu
Grunde zu liegen, welche ganz den Erfordernissen
der Nadelmalerei angepafst ist. Sehnütgen.
 
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