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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Schnütgen, Alexander: Spätgothische Leinenstickereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0123

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187

1899.

ZEISTCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

188

Spätgothische Leinenstickereien.

(Mit 4 Abbildungen.)

bwohl die Leinenstickerei während
des ganzen Mittelalters auch in
Deutschland vielfache Pflege gefun-
den hat, haben sich doch aus dieser
Zeit verhältnifsmäfsig wenige Muster erhalten.
Romanischen Stils sind sie grofse Seltenheiten,
zumal in mehrfarbiger Ausführung, und aus der
früh- und hochgothischen Periode beschränken sie
sich fast nur auf die gröfseren, zumeist reich-
figurirten einfarbigen Decken, die sich im Norden,
namentlich in Westfalen, viel häufiger finden, als
im Süden. Gerade die am meisten verbreiteten
und einfachsten, weil dem unmittelbaren bestän-
digen Gebrauche dienenden Muster sind in den
Sammlungen am spärlichsten vertreten, weil, wie
bei allen gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen,
für ihren Fortbestand kein besonderes Interesse
vorlag. Um so mehr Beachtung verdienen daher
die in unsere Zeit hinübergeretteten Exemplare,
zumal, wenn sie originell in der Komposition,
sauber in der Ausführung, namentlich aber hei-
mischen Ursprunges und Stiles sind.

Von vier derartigen Streifen, die ich vor
einigen Jahren in der grofsen Textilsammlung
des k.k. österr. Museums für Kunst und Industrie
zu Wien fand, habe ich daher photographische
Aufnahmen machen lassen, und lege sie hier in
kleinen aber scharfen Abbildungen mit kurzer
Beschreibung vor.

Die erste Borte, 13 cm hoch, zeigt einfache
Kreuzstichmusterung, die in nur vier Farben auf
grobes gelblich-weifses Leinen eingetragen ist.
Dieselbe besteht, als eine Art Nachbildung älterer
Gewebe, in aneinandergereihten Sternen, die mit
Thierfigurationen in guter Vertheilung ausgefüllt
sind, und eine ebenso einfache Ranke bildet
den Abschlufs. Die Sterne haben weinrothe,
ihre Blattausläufer lichtblaue und pistaziengrüne
Färbung, die Hirsche sind pistaziengrün, die
Hirschköpfe roth, die Innensterne, wie die Ge-
weihe gelblich. Es dürfte kaum möglich sein,
mit so einfachen Mitteln eine bessere Wirkung
zu erreichen im Dienste kirchlicher, wie pro-
faner Ausstattung.

Die zweite Borte, 1272 cm hoch, 38 cm breit,
in sich abgeschlossen als Parura, d. h. als Ver-
zierungseinsatz des priesterlichen Schultertuches,
hat in denselben vier Farben ebenfalls die Kreuz-
stichtechnik, die hier aber in den dichten Grund
"viel feiner eingetragen ist. Die Bäume sind

grün mit Ausnahme der Früchte, die abwechselnd
roth, roth-gelb und blau, die Inschriften roth.
Der Saum ist roth und gelb im Festonirstich
ausgeführt. Die Bäumchen sind den Musterungen
der gewebten kölnischen Goldborten nachge-
bildet, welche gleichfalls der Mitte des XV. Jahrb.
angehören, ebenso die Inschriften, welche sich
hier durch besondere Schärfe auszeichnen und
den Beweis liefern, bis zu welchem Mafse an-
muthsvoller Wirkung die Stickerei dieses für den
kirchlichen wie häuslichen Gebrauch gleich
dankbare Motiv der Schriftzüge auszugestalten
vermag.

Die dritte Borte, 10 cm hoch, 33 cm breit,
ebenfalls eine Parura, ist ganz in dem seltener
vorkommenden Federchenstich (einer A rt Mossul-
technik) ausgeführt bis auf den durch Plattstich
gewonnenen Inhalt der Wappenschildchen. Das
Bäumchen in der Mitte hat seegrüne Färbung
mit ganz wenig Citronengelb an den Blättchen
und mit rothen Früchten. Die darunter befind-
liche Inschrift Cornelia ist orangegelb, appolli-
naris lakmusblau. Das linke, roth umränderte
Wappenschildchen mit den Passionswerkzeugen:
Rock, Leiter, Würfel ist mit einem dichten Ge-
äste vielfarbigen Laubwerkes umgeben, in wel-
chem Seegrün die Hauptrolle spielt, Gelb spärlich
vertreten, Roth und Lakmusblau etwas mehr.
Das rechte, blau konturirte Wappenschild mit
Grab und Würfelbecher, zeigt in seiner Ranken-
einfassung eine ähnliche Behandlung, wie auf der
linken Seite, aber doch mit mancherlei Ab-
weichungen, wie sie die Geschicklichkeit der
stickenden Hand von selber hervorbringt. In
dem unteren Rasenabschlufs verbindet sich mit
der feinen schillernden Technik der pikante
Farbenunterschied zwischen dem Seegrün und
Pistaziengrün zu reizendem Effekt.

Die vierte Borte, 1272 cm hoch, 34 cm breit,
ebenfalls Parura, hat als Grund Damastleinen,
ein Rautengebild, welches für die auch im
Federchenstich ausgeführte Musterung einen
kräftig wirkenden Hintergrund bildet. Im Uebri-
gen sind Zeichnung und Färbung der vorher-
gehenden sehr verwandt, ohne aber deren Fein-
heit vollständig zu erreichen.

Sämmtliche Borten dürften manche verwend-
bare Anhaltspunkte bieten für die Ausstattung
von Pallen, Alben, Röcklein, Altar- und Korn-
muniontüchern. Schnutgen.
 
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