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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

DOI Artikel:
Kisa, Anton Carel: Vasa diatreta, [2]
DOI Artikel:
Luthmer, Ferdinand: Die moderne Kunst und die Gothik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0038

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1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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aus der Luft gegriffen. Netzwerk aus aufge-
legten Rundfäden findet sich ja häufig an mittel-
rheinischen antiken Gläsern des III. und vom
Anfang des IV. Jahrh., ebenso aufgelegte, mit
einem kleinen Knopfe verbundene Ringe; an
den sogen. Kettenhenkeln ist es sogar ä jour
angebracht. Es unterliegt wohl kaum einem
Zweifel, dafs man es auch zu gröfseren oder
kleineren korbartigen Bildungen verwendet haben
wird. Im Antiquarium zu München sah ich ein
kleines, angeblich aus Pompei stammendes Glas-
gefäfs, dessen Fufs ä. jour mit einem Netzwerke
aus schwarzen Glasfäden umgeben war. Diese
Fäden sind aber niemals mit dem Schleifrade
überarbeitet, sondern rund gezogen und so
nebeneinander gelegt, dafs sich Berg und Thal
berühren. Häufiger sind jedenfalls spätere Ar-
beiten dieser Art, wie z. B. der aus der Samm-
lung Disch in Köln zu Basilewsky überge-
gangene Cantharus. Er ist ein Kelch aus farb-
losem Krystallglas, auf schlankem Fufse, ge-
schmückt mit Amoretten und Blumenranken
in aufgelegtem Blattgold. Die Kuppa ist von
einem Fadennetze von gedrückt kugeliger Form
umkleidet, welches nicht mit Stegen, sondern
nur an den Rändern anhaftet. Die Fäden be-
stehen aus dickem rundgezogenem Krystallglase,
ebenso die beiden derben Henkel. Obwohl
schon E. aus'm Weerth den antiken Ursprung
dieses Gefäfses, allerdings aus unzureichenden
Gründen, bezweifelte, wird es noch immer in
den meisten Listen antiker Diatreten mitgezählt.
Gegen antike Arbeit spricht nicht sowohl der
Mangel einer durchsichtigen Ueberfangschichte
über der Vergoldung, denn diese fehlt auch

andern römischen Goldgläsern, als vielmehr die
Zeichnung des Bildes, die Form des Fufses und
der Henkel. Vielleicht gelingt es mir, der An-
sicht aus'm Weerths mehr Geltung zu verschaffen,
wenn ich den Namen der Fabrik nenne, aus
welcher das Glas hervorgegangen ist. — Es ist
die berühmte Firma Briati in Venedig. Sie hat
im XVIII. Jahrh. mehrere derartige Netzgläser
hergestellt, von welchen einige im Museo vetrario
in Murano zu sehen sind, in der Form und
Technik vollkommen dem Dischscheh Glase
gleich, nur ohne Goldbild. Das angeblich in
Pompei gefundene Fadennetzglas des Münchener
Antiquariums dürfte eine Arbeit des IV. Jahrh.
sein, also einer Zeit entstammen, , welche
viel mit dicken farbigen Glasfäden operirte. Das
Korbmotiv, welches sich an ihm zeigt, ist sehr
dauerhaft. Ob es sich an fränkischen Arbeiten
findet, ist mir nicht bekannt, am Niederrhein
taucht es jedoch im späten Mittelalter häufig
auf. Das Netzwerk, aus dicken, schmutzig
braunen oder grünen Fäden gebildet, legt sich
um den Hals und Fufs der Gefäfse, an den
Rändern haftend und oft von platten gerieften
Bändern begleitet. Ein Glas dieser Art befindet
sich in der Thewalt'schen Sammlung, mehrere
Fragmente wurden 1897 am Domhofe in Köln
gefunden, andere in Aachen. Das Netzglas im
Suermondtmuseum, das aus'm Weerth als antik
veröffentlichte, gehört derselben Klasse nieder-
rheinischer Arbeiten an und stammt aus dem
XVI. Jahrh. Schon das Material mufs selbst bei
kleinen Bruchstücken einen Irrthum ausschliefsen.
Die venezianischen Nachbildungen zeigen freilich
feines farbloses Krystallglas. (Schlufs folgt.)

Die moderne Kunst und die Gothik.

enn die »Zeitschrift für christliche
Kunst« durch ihre Zwecke und die
Interessen ihres Leserkreises auch
im Allgemeinen dazu geführt wird,
ihren Aufsätzen einen rückwärtsblickenden Cha-
rakter zu geben, so hat sie doch in vielen Fällen
bewiesen, dafs sie auch den Fragen der Gegen-
wart nicht fremd gegenübersteht. Ist doch auch
die Kunst, die der Kirche dient, nichts weniger
als fertig und abgeschlossen, und die Pietät
gegen das Altehrwürdige schliefst sicher nicht das
Interesse für das „Moderne" aus, sollte sich selbst
dies Interesse nur als Kritik bethätigen.

So werden auch die Leser dieser Zeitschrift
nicht unberührt geblieben sein von dem Drän-
gen nach neuer Formgestaltung, die sich in den
dekorativen Künsten nicht ohne Geräusch gel-
tend macht. Darin unterscheidet sich dieses
Drängen nach Neuem von früheren Stilwand-
lungen. Wie uns die Kunstgeschichte lehrt,
haben sich neue Stil- und Formgedanken fast
immer lange Zeit'als kaum bemerkte Unterströ-
mungen unter der Oberfläche der herrschenden
Anschauungen bewegt, bis sie bei besonderem
Anlafs, meist durch einen grofsen Monumental-
bau, an die Oberfläche gehoben wurden.
 
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