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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Graeven, Hans: Ein altchristlicher Silberkasten
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Kisa, Anton Carel: Vasa diatreta, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0020

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15

1899. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

10

Brandea benutzt ward. Ob er indefs in Con-
stantinopel selbst, ob er an einem anderen
Kulturcentrum des Ostens gearbeitet ward,
darüber ist bei dem heutigen Stande unseres
Wissens ein Urtheil unmöglich. Die früh-
christliche Kunst dieser Gebiete ist noch in
tiefes Dunkel gehüllt, dessen Aufhellung nur
erfolgen kann, wenn wir mehr gesicherte Er-
zeugnisse der einzelnen Stätten-kennen lernen.
Dafs der Kasten nicht erst kurz vor 382
eigens zu dem Zweck, dem er seither gedient
hat, angefertigt worden ist, dafür spricht z. B.
die Nimbuslosigkeit der Madonna im Gegen-
satz zum nimbirten Christus, und die Freiheit
in der Gestaltung des Engels in der Aus-
stattung der Magier, für die frühzeitig auch im
Osten die orientalische Tracht üblich wurde.
Vor allem räth zu möglichst früher Datirung
die Güte der Arbeit. Der Silberarbeiter, in
der lebendigen Ueberlieferung der antiken
Kunst fufsend, war noch im Stande, schöne,
in Proportion, Form und Bewegung richtige
Figuren zu schaffen, sie zu gefälligen Kom-
positionen zu vereinigen. Andrerseits ver-
bietet die Anlehnung der Salomofigur an Kaiser-
darstellungen, die erst seit Constantin möglich
waren, den Kasten vor dieser Zeit anzusetzen.
Auch darf uns die Bewunderung vieler wohl ge-
lungener Einzelfiguren nicht blind machen gegen
die Mängel, die dem Werk anhaften. Das
Ornament, das z. B. an den für Secundus und
Procula im Anfang des IV. Jahrh. gearbeiteten
Hochzeitsgeschenken20) wiederkehrt, ist grob
und roh. Plump sind die Formen der Sessel
und gerade die in Vorderansicht thronenden
Figuren sind die am wenigsten erfreulichen.
Für sie nämlich war es schwer, im Vorrath

20) Gefunden 1793 in Rom, gelangten sie später
in's British Museum. Abgeb. Visconti »Opere varie«
I Taf. 7, d'Agincourt »Histoire de l'art. Sculpture«
Taf. IX.

antiker Reliefs geeignete Vorbilder zu finden,
während dem Künstler für die übrigen Ge-
stalten gute Muster in grofser Zahl zur Ver-
fügung standen. Die Handbewegungen da-
gegen müfsten gewöhnlich von ihm geschaffen,
der Situation angepafst werden; sie sind
daher schematisch und wenig ausdrucksvoll,
wie ein Vergleich der beiden streitenden Frauen
untereinander, ein Vergleich Salomos und
Daniels zeigt. Schematisch sind auch die
Kompositionen. Die symmetrische Gruppirung
um eine thronende Mittelfigur, an sich an-
muthig, wird durch viermalige Wiederholung
langweilig.

Mit all seinen Mängeln und Vorzügen ist
der Kasten gerade eine treffliche Probe von
dem, was die constantinische Zeit auf dem
Gebiet der Silberschmiedekunst noch leisten
konnte. Auch für die Kenntnifs der da-
maligen Technik wird das Werk sehr wichtig
sein, wenn erst eine genaue Untersuchung
des Originals vorgenommen werden kann.
Welche bedeutende Rolle die Bearbeitung der
Edelmetalle in Constantins Zeit spielte, erhellt
zur Genüge aus den -Berichten des Eusebius
und des Liber Pontificalis über die unermefs-
lich reichen Gaben, welche der Kaiser seinen
Kirchengründungen im Westen und Osten zu-
kommen liefs. Bisher war unser Bestand an
Silberwerken mit altchristlichen Darstellungen
ein äufserst dürftiger,21) keines derselben läfst
sich an Gröfse und an Reichthum nur entfernt
vergleichen mit dem neugefundenen Kleinod
von San Nazaro.

Rom. Hans Graeven.

21) Die Turiner Ausstellung zeigte den Besuchern
noch ein anderes bisher unbekanntes altchristliches
Silberkästchen, das etwa 100 Jahre jünger sein mag
als das von San Nazaro. Abbildungen desselben
bietet Venturis Bericht über die Ausstellung »L'Arte,
glä Archivio storico dell arte« I p. 455.

ie Entwickelung der antiken Glas-
industrie, welche sich spielend vieler
keramischer und metallischer Tech-
niken bemächtigt hatte, machte

nicht Halt vor der im III. Jahrh. n. Chr. blühen

Vasa diatreta.

(Mit Abbildung.)

den durchbrochenen Arbeit, dem opus inter-
rasile. Metallplatten wurden nicht blofs durch
Stanzen, sondern aus freier Hand mittelst Punzen
durchbrochen, so mit figürlichem und ornamen-
talem Schmucke versehen und auf einen farbigen
Untergrund aufgelegt. Das gröfste Werk dieser
 
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