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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Maass, Ernst: Inschriften und Bilder des Mantels Kaiser Heinrichs II., [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0232

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Abhandlungen.

Inschriften und Bilder des Mantels
Kaiser Heinrichs II.

IV. (SchluTs.)

as einzige eigentlich Neue,
welches die profanen
Mantelbilder und In-
schriften darbieten, ist
die oben noch unbe-
sprochen gebliebene Be-
merkung zum Sternbilde
der Jungfrau: „VIRGO
IUSTA QUAE ET LIBRA VOCATUR«
(siehe S. 334). Nach dem Wortlaut mufs an-
genommen werden, dafs einer bestimmten Auf-
fassung zufolge das Jungfraugestirn und das im
Thierkreis neben ihr gelegeneGestirn der Waage
zu einer Gruppe — Jungfrau mit Waage —
kombinirt und darum bald Jungfrau bald Waage
(oder beides) genannt worden sei. Diese Auf-
fassung verliert alles Befremdliche, wenn wir
uns die Geschichte des Waagebildes und seiner
Nachbarn im Thierkreise (Jungfrau, Skorpion)
vor Augen führen.

1. Ich halte es jetzt für feststehende That-
sache, dafs das Gestirn der „Jungfrau" griechi-
schen, die Benennung des Einzelsterns der
„Aehre" aber babylonischen Ursprungs ist und
der griechischen Erweiterung zu Grunde liegt.

2. Die griechische wie die babylonische
Sphäre kannten nur elf Thierkreisbilder. Sie
liefsen das Feld zwischen Jungfrau und Skor-
pion entweder leer oder die Skorpionscheeren
in das leere Feld zum Schein etwas übergreifen.
Dagegen kannten die Aegypter volle zwölf
Zeichen. Das wichtige Zeugnifs steht im Kom-
mentar zu Vergils Georgica I 33:

Aegyptii duodecim esse adserunt signa,
Chaldaei vero tindecim. Nam Scorpium et
Ltdram unum signum accipiunl (Chelae
enim Scorpii Libram faciunt). Hdem Chal-
daei nolunt aequales esse partes in omnibus
sigtiis, sed pro qualilate aliud signum XX,
aliud XL habere, cum Aegyptii XXX esse
partes in omnibus velinl.

Danach ist die Waage als Sternzeichen der
ägyptischen Sphäre anzusprechen. Und eben
dies behaupten zwei weitere Zeugen, von denen
wir einen sogleich verhören wollen. Nach
dem Aegypter „Manetho" nämlich (II 135 ff.)
wäre die Waage gradezu Erfindung ägyptischer
Priester (wie denn auch sonst die ägyptische
Tempellitteratur mit Katasterismen sich abgab,
vgl. Nicander bei Hygin »Astr.« II p. 69 B.):
XijXuL d\ ag xai dij /AfTsrprjftiaav dvsQtg IqoC
xul Zvyov ixXyioaav, inel titcivvv9' ey.dTty&tv
olaC ntg nXdauyyeg enl £,vyov kXxofihoio.
Wenn der alexandrinische Astronom Ptolemaeus
also (IX, p. 232 Bas.) eine nach Ideler ins Jahr
237 v. Chr. zurückweisende Beobachtung über
„die südliche Wahgschaale" anführt, so stammt
diese aus einer ägyptischen Quelle (Abh. Berl.
Ak. 1838 S. 10).

3. Statt des blofsen Instruments der Waage
erscheint in handschriftlichen Darstellungen der
Thierkreiszeichen und sonst nicht selten eine
die Waage haltende männliche Person (vgl.
Thiele S. 25 Fig. 3,1) S. 70 u. s.; doch läfst
sich das Material leicht vermehren). Ist das
etwa eine griechische oder römische Umge-
staltung der ägyptischen Waage? An sich wäre
grundsätzlich nichts gegen diese Meinung ein-
zuwenden. Wir wissen noch von einem (frei-
lich nicht durchgedrungenen) Versuch den
Kaiser Augustus in das Gestirn der Waage —
doch wohl als Waagehalter — zu versetzen
durch Vergil »Georg.« 132 bis 35:

Anne novum lardis sidus te mensibus addas,
qua locus Erigonen inier Chelasque sequenlis
pandilur: ipse tibi iam bracchia conlrahit atdens
Scorpios et caeli iusta plus parte reliquit?)

1) Heibig, .Führerc II 894.

2) Ovidius 'Metam.* II 195 ff läfst Phaethon durch
diese offene Stelle des griechischen Zodiacus fahren:

Est locus, in geminos ubi bracchia concavat arcus
Scorpius et cauda flexisque utrinque laccrtis
porrigit in spatium signorum membra duorum.
Das geht auf ältere Gewährsmänner zurück. Vgl. Probus
z. d. Vergilstelle: Varro tarnen ait se legisse Em-
ptdotimo cuidam Syracusano a quodam postestate
divina mortalem adspeclum abstersum eumqus inter
cetera tres portas vidisse iresque vias, unam ad
Signum Scorpionis, qua Hercules ad deos isse dice-
relur, alteram per limitem, qui est inter Leonem et
 
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